Ganz offensichtlich ist diese Politik menschenverachtend. Aber sie ist nur zu verstehen in einem europäischen Kontext. Vor allem bei Fragen der Migration ist die deutsche Politik nicht isoliert von Europa zu verstehen.
Denn die europäischen Aussengrenzen sind seit der Osterweiterung auch für Deutschland primär am Mittelmeer. So erstreckt sich die deutsche Migrations- und Flüchtlingspolitik bis weit weg, dorthin wo Frontex unter deutscher Beteiligung rücksichtslos Jagd auf Flüchtlinge macht.
Aber was ist Frontex? Frontex ist die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen und ist dafür zuständig die so genannte illegale oder nicht regulierte Migration zu unterbinden. Das macht sie mit militärischen Mitteln. Ausgerüstet mit Schnellbooten, Hubschraubern, Wärmebildkameras, Drohnen und Schusswaffen wird die Flucht vor Krieg, Verfolgung und Hunger also rücksichtslos bekämpft.
Weil es aber, aus Sicht der Herrschenden immer noch zu viele Flüchtlinge nach Europa schaffen, wird weiter aufgerüstet. Während sich bisher einzelne Einheiten aus europäischen Staaten für Frontex-Missionen im Mittelmeer zusammenschliessen mussten, gibt es seit diesem Jahr auch eigenständige europäische Truppen, samt eigenem Kriegsgerät, um die Küsten unsicher zu machen. Für die Eigenständigkeit verfügt die Agentur über ein eigenes Budget in zweistelliger Millionenhöhe.
Eine Frontex-Eingreiftruppe wurde vor wenigen Wochen jetzt erstmals von Griechenland angefordert um das Grenzgebiet zur Türkei von Illegalen zu säubern. Hinzu kommt eine gewaltige Infrastruktur im Hinterland, die das Handeln von Frontex erst ermöglicht. Dazu gehören die nationalen Polizeien, aus denen sich Frontex rekrutiert oder die Bundespolizeiakademie in Lübeck, die für die Ausbildung in Deutschland zuständig ist.
Dazu kommen nationale und vor allem europäische Datenbanken, die Frontex mit personenbezogenen Daten, wie Fingerabdrücken versorgt und auf welche die Agentur zugreifen kann um beispielsweise eigene Analysen und Situationseinschätzungen zu liefern. Solche so genannten Risikoanalysen gehen dann wiederum in die nationalen Migrationspolitiken ein.
Frontex als europäisches Projekt arbeitet aber auch mit Staaten ausserhalb der EU zusammen. Zum Beispiel mit Lybien. Im Rahmen von Gipfeln und anderen internationalen Treffen werden Absprachen getroffen, die eine Kooperation bei der Aufrechterhaltung des europäischen Grenzregimes vereinbaren. So verpflichtet sich Lybien mehr Öl an Italien zu liefern oder in europäische Rüstungstechnik zu investieren im Gegenzug nimmt Lybien Flüchtlinge auf, die über Lybien als Quasi-Drittstaat nach Europa wollten.
Frontex ist eine der widerlichsten Ausprägungen einer genuin europäischen Politik, die sich weitgehend von nationalen Perspektiven abgekoppelt hat und eigene EU-Interessen verfolgt. Am Beispiel Frontex lässt sich auch ablesen, wo sich Europa insgesamt hinentwickelt: Eine Verknüpfung von Innen- und Aussenpolitik.
Eine hoch technisierte, computergestützte Aufrüstung, für die bei aller Krise komischerweise immer Geld da ist.
Im gleichen Atemzug eine Vermengung von polizeilichen und militärischen Aufgaben, beziehungsweise eine Militarisierung von Polizei. Im Zuge dessen ist Frontex auch das am weitesten fortgeschrittene Projekt der EU eigene Truppen aufzubauen.
Frontex liefert einmal mehr den täglichen Beweis, dass Europa für den Kapitalismus tötet.