Der einstige „Pate des Kreml“ ist von uns gegangen Wer war Boris Beresowski?
Politik
In den letzten Jahren war es still um ihn geworden, aber für die Einführung des Kapitalismus in Russland war er eine Schlüsselfigur.
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29. März 2013
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Mit der Aneignung der Aeroflot verschaffte sich Beresowski Zugang zu dem Devisenkonto der Fluggesellschaft, die er durch Abzweigen sämtlicher Deviseneinnahmen fast in den Ruin trieb. Er hatte sich dadurch auch eine Möglicheit verschafft, seine in Rubel gemachten Gewinne über Aeroflot-Konten und weitere undurchsichtige Firmen in Devisen umzuwandeln und auf westlichen Offshore-Konten zu parken.
Seinen Aufstieg sicherte er sich mit Hilfe der tschetschenischen Unterwelt, die in der Zeit des „trockenen Gesetzes“ – so wie andere Unterwelt-Gruppen – gross geworden war. Tschetschenien war das erste Offshore-Gebiet, über das die sich konstituierenden neuen Unternehmer Russlands in der Zeit der „Bezpredelje“ (Schrankenlosigkeit) ihre Gewinne verschoben und reinwuschen. Mit spektakulären Geiselbefreiungen, bei denen Beresowski medienwirksam Lösegelder gegen westliche Geiseln austauschte, finanzierte er seine Freunde in Tschetschenien – zum Ärger des später vom russischen Militär ermordeten Aslan Maschadow, der Beresowski als den grössten Gegner einer Normalisierung der Lage in Tschetschenien betrachtete.
Beresowski war die führende Figur in der Organisierung des Wahlkampfes von Boris Jelzin 1996, die von russischen Oligarchen unter kräftiger Beteiligung vor allem der US-Regierung und diverser amerikanischer Privatstiftungen finanziert wurde. Jelzin hatte sich bewährt als williges Organ der Zerstörung der russichen Institutionen und der russichen Ökonomie. Er hatte die russiche Aussenpolitk den Ansprüchen der USA und Europas gemäss gemacht. Von seinen Gegnern, Juri Luschkow und Jewgeni Primakow war dergleichen nicht zu erwarten, deswegen waren alle wichtigen Akteure ausserhalb Russlands daran interessiert, Jelzin weiter an der Spitze des Staates zu halten. Die russischen Oligarchen und ihre westlichen Freunde hatten Erfolg. Jelzin regierte weitere 4 Jahre, sofern man die Performance dieser Alkoholiker-Marionette als „Regieren“ bezeichen kann.
Beresowski vernachlässigte auch die Medien nicht, mit deren Hilfe er sowohl seine eigene Tätigkeit als auch die der Regierung im Lichte des notwendigen, wenngleich schmerzhaften Fortschritts in Richtung Marktwirtschaft – die ja letztlich „uns allen“ dient – präsentieren konnte. Seit 1994 war er unter anderen Medienbeteiligungen Miteigentümer der Fernsehgesellschaft ORTV, die Russland flächendeckend mit Marktwirtschaftspropaganda, Misswahlen, Seifenopern und ähnlichem Schmarrn überzog. Das war sehr wichtig in Zeiten, als die Papier-Medien grösstenteils nur über Abonnement zu beziehen waren und der grösste Teil der Bevölkerung auf diese Art von „Information“ angewiesen war. Über die dort einfliessenden Werbeeinnahmen verschaffte sich Beresowski weitere Einkünfte, die er gemäss seinem oben angeführten Prinzip in die eigene Tasche steckte, und darauf gründete sich der Konflikt mit dem Journalisten Listjew.
Der von Beresowski protegierte Geheimdienstchef Putin erwies sich vom Standpunkt Beresowskis als Fehlbesetzung, als Beresowski die Einrichtung einer Art Superbehörde betrieb, die alle anderen Institutionen, also auch den Geheimdienst, überwachen sollte. Der Chef dieser Behörde wäre Beresowski gewesen. Damit hatte er den Bogen überspannt. Putin und andere verwehrten sich gegen diese Privatisierung des Allerheiligsten jedes Staates und Beresowski sah es nach einem auf ihn verübten Attentat im Jahr 2000 für geraten an, Russland zu verlassen.
Er zog nach London. Dort war er offensichtlich willkommen. Der im gleichen Jahr von Russland nach Grossbritannien geflüchtete Geheimdienstmitarbeiter Litwinienko sagt vor den britischen Behörden aus, dass hinter dem Attentat auf Beresowski der russische Geheimdienst gestanden sei. Aufgrund von Litwinienkos Aussage erhielt Beresowski politisches Asyl in Grossbritannien.
Litwinienko arbeitete in der Folge für ihn und für den britischen Geheimdienst MI6 und betrieb auch noch eine Agentur zur Anwerbung von Söldnern. Sein Tod im Jahre 2006 war Besipiel einer manipulativen Montage mit Hilfe einer inzwischen von Beresowski gegründeten PR-Agentur, und der britischen Medien, um Russland für den Tod dieses Doppel- und Dreifach-Agenten verantwortlich zu machen, der wahrscheinlich an seiner Ämterkumulation gestorben ist.
Im Jahr davor finanzierte Beresowski den Wahlkampf von Viktor Juschtschenko in der Ukraine 2004/2005 und war sauer, dass sein Protegee ihm nachher den Umzug in die Ukraine untersagte. Nicht einmal nach dem Erfolg der orangenen Revolution im Jahre 2005 war er – trotz seines zahlreichen dort in Immobilien investierten Kapitals – willkommen.
Boris Beresowski wird für zahlreiche Morde an Prominenten verantwortlich gemacht: Den am russischen Journalisten Wladislaw Listjew 1995, am Kandidaten von „Liberales Russland“ Sergej Juschenkow 2003, am Forbes-Journalisten Paul Klebnikow 2004. Sein wichtigster Partner, der georgische Geschäftsmann Badri Patarkazischwili starb 2008 unter ungeklärten Umständen in England.
>Boris Beresowski war eine Drecksau der Sonderklasse, der für gutes Geld auch seine eigene Grossmutter verkauft hätte. Deshalb war er der ideale Partner westlicher Politiker und Geheimdienste bei dem Versuch, Russland zu öffnen für ihr Kapital und gleichzeitig zu schwächen, um es für jede Erpressung gefügig zu machen. Beresowski war auch lange Anlaufstelle westlicher Geschäftsleute, die sich an Russland bereichern wollten. Er spielte zweifelsohne eine wichtige, unverzichtbare Rolle darin, Russland zu einer Spielwiese des Kapitals zu machen und gleichzeitig als Grossmacht zu schwächen.
Sein Stern begann nach der Litwinienko-Montage im Jahre 2006 endgültig zu sinken. Es scheint, dass diese Medien-Kampagne um die angebliche Ermordung seines Mitarbeiters und Agenten des MI6 seine Bedeutungslosigkeit in der Weltpolitik bewiesen hat. Seither war Beresowski für die britische Politik totes Kapital. Seine vorherige Bedeutung hatte er mit dem Verlassen Russlands eingebüsst, wohin ihm die Rückkehr trotz eines Entschuldigungsbriefes an Putin verweigert wurde. Man kann annehmen, das sein Tod selbstgewählt war, weil es niemandem mehr die Mühe wert gewesen wäre, ihn umzubringen.