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Billig, flink und flexibel

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Frauen als Reservearmee der ökonomischen Globalisierung Billig, flink und flexibel

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Wirtschaft

Wenn wir gebeten würden, an der Garderobe alles abzugeben, was nicht in diesem Land hergestellt wurde, dann stünden wir alle ziemlich nackt und bloss da.

Eine Maquiladora Fabrik in Tijuana, Mexiko.
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Eine Maquiladora Fabrik in Tijuana, Mexiko. Foto: Guldhammer (PD)

Datum 24. Mai 1998
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Die Jeans kommen vielleicht aus Vietnam, das Hemd aus Mexiko, die Schuhe aus Marokko, mit Sicherheit aber aus Frauenhänden in den Exportfabriken des Südens oder bald auch des Ostens. In Deutschland ist dieUmschlagfrequenz von Klamotten extrem hoch: Jede Person verbraucht im Jahr 26 kg Textilien, in den USA 8 kg, in Kamerun 0,5 kg. Globalisierung und Geschwindigkeit gehören zusammen. Der US-Ökonom Lester Thurow hat sie zu einem Begriff verschmolzen: Turbo-Kapitalismus. Ex und hopp - das Wegwerfen von Produkten, in denen ein schneller materieller und moralischer Verschleiss eingebaut ist, lässt die Wirtschaft florieren.

Ex und hopp kennzeichnet aber auch den Umgang mit Arbeitskräften, die immer flexibler eingesetzt werden. Prototypisch für diese Entwicklung stehen die jungen Frauen in den Weltmarktfabriken und die 250-Euro- Arbeitskräfte bei uns. Frauen, die schon immer Reservearmee für den Erwerbsarbeitsmarkt waren, eignen sich vorzüglich für die schnellen, flexiblen und mobilen Beschäftigungsformen auf dem globalisierten Markt.

Die Welt ist zum Schachbrett geworden, auf dem nicht nur Produkte, Finanzen und Nachrichten verschoben werden. Ebenso sind Produktionsstätten und Arbeitskräfte konvertibel gemacht und über Grenzen hinweg mobilisiert und flexibilisiert worden.

Doch dieses globale Monopoly ist keineswegs ein win-win-Spiel. Die eine Seite der Globalisierungsmedaille ist die Integration entlegendster Winkel der Erde in den Weltmarkt. Die andere ist die Ausgrenzung und Marginalisierung grosser Bevölkerungs- und Ländergruppen aus dem Prozess, den die Inderin Vandana Shiva "Dollarisierung der Ökonomien" nennt.

Die Gewinner sind bei uns wie auch im Süden die Mittelschichten als KonsumentInnen einer ungeheuren Warenfülle. Gewinner sind die Finanzspekulanten, die transnationalen Konzerne und eine neue Unternehmerklasse in fast allen Ländern.

Frauen gehören jedoch in überproportionaler Zahl zu den VerliererInnen. Das zeigt sich allein daran, dass 70 Prozent der Armen weiblich sind. Frauen geraten in den Sog des Weltmarkts, der Globalisierung und des Neoliberalismus, die meisten aber werden zu Randfiguren degradiert. Ich will dies mit drei Beispielen illustrieren:

1. In den siebziger und achtziger Jahren wirkten weibliche Arbeitskräfte in Schwellenländern wie Korea, Mexiko und Marokko als Durchlauferhitzer für das Wirtschaftswachstum: billig, flink und flexibel. Exportorientierte Wirtschaft war frauenorientierte Wirtschaft, arbeitsintensive Industrie war frauenintensive Industrie. T-Shirts und Jeans, Schuhe und Computer Chips waren die Einstiegsvehikel dieser Länder in den Weltmarkt, mit einem weiblichen Beschäftigungsanteil von 80 Prozent. Diese Strukturen sind derzeit auch in den neuen Billiglohneldorados: Bangladesh, Vietnam, Kambodscha, Laos und China zu beobachten.

Dabei wiederholt sich dieser Anschluss an den Weltmarkt nicht nur in den herkömmlichen Exportindustrien, sondern auch in den neuen exportorientierten der Dienstleistungsbranchen, vor allem in der computerisierten Datenverarbeitung. Hier sind es wiederum zu 80 Prozent weibliche Arbeitskräfte in Südasien und der Karibik, die z.B. Buchungen unserer Banken und Kreditkartenfirmen, Versicherungs- und Fluggesellschaften eingeben.

Frauen gelten deshalb als Arbeitsplatzgewinnerinnen der Weltmarktintegration. Die Vereinten Nationen sprechen von einer Feminisierung der Beschäftigung.

Dieser quantitative Vormarsch und Fortschritt für Frauen auf dem Erwerbsarbeitsmarkt ist jedoch ambivalent. Die meisten bezahlen für den neu gewonnenen Aktionsradius einen hohen Preis: miese Arbeitsbedingungen, wenig Rechte, minimale Löhne und keine neue Existenzsicherheit.

Und die Gewinnerinnen von heute sind im Handumdrehen bereits wieder Verliererinnen. Denn die Unternehmer wenden verschiedene Strategien an, um ihre Produktionskosten zu senken. Zum einen verlagern sie derzeit ihre Produktion aus den neu industrialisierten Ländern wie Südkorea und Thailand in billigere Regionen. Die Dummen sind die thailändischen und koreanischen Arbeiterinnen, die ihre Fabrikjobs verlieren.

Wo nationale Konkurrenten sich unterbieten, Löhne und Lohnnebenkosten steigen, die Arbeitsschutzgesetzgebung und die Gewerkschaften erstarken, werden Beschäftigungsverhältnisse zunehmend flexibilisiert und informalisiert. Konzerne vergeben Aufträge an Subunternehmer im informellen Sektor. In Sweatshops, Hinterhöfen und Heimarbeit sind Arbeitsschutzgesetze und ökologische Vorschriften leichter zu umgehen, Mindestlöhne werden unterlaufen, gewerkschaftliche Organisierung ist schwieriger, Kinderarbeit nimmt zu. Die Frauen sind nicht mehr kontinuierlich beschäftigt, sondern werden nur noch flexibel zu Stosszeiten eingesetzt. Die Exportindustrie wird immer mehr zur Subunternehmer- und Zeitarbeitsindustrie.

Beim Übergang zu kapitalintensiver Produktion verlieren viele Frauen ihre Jobs wieder. Wo automatisiert wird, werden Frauenarbeitsplätze wegrationalisiert. In den Exportfabriken Mexikos, in Singapur und Mauritius fiel der Frauenanteil in den achtziger Jahren bereits wieder von 80 auf 60 Prozent. Kurz: Je mehr Maschinen, je mehr Technologie, desto weniger Frauen. Ein neuer Rationalisierungsschub steht durch die Computertechnologie auch im Dienstleistungssektor bevor. Der Fortschritt für die Frauen in der Beschäftigungslandschaft ist jedenfalls nicht nachhaltig.

2. Laut UNDP sind zwei Drittel aller von Frauen geleisteten Tätigkeiten unbezahlte Arbeit. Das ist die Erziehungs-, Versorgungs- und Pflegearbeit in der Familie, die Arbeit zur Deckung des Eigenbedarfs im Haushalt und auf dem Feld. Die Deregulierung und der Abbau sozialer Leistungen führen zu einem Rückzug des Staates aus den sozialen Aufgabenfeldern. Sie werden in die privaten Haushalte zurückverlagert, an zivilgesellschaftliche Kräfte, sprich: ehrenamtliche Organisationen und Selbsthilfegruppen delegiert oder dem freien Markt, d.h. privaten Anbietern, überlassen. Dies gilt weltweit, in West, Ost und Süd. Diese Aufgaben übernehmen überwiegend Frauen sowohl in den Haushalten als auch in den NGOs, z.B. im Bereich der Gesundheitsversorgung, der Alten- und Krankenpflege wächst die Arbeitslast der Frauen. Das heisst: Die Marktökonomie externalisiert die Kosten für ihre eigene Reproduktion, indem sie den Frauen für Gottes Lohn und Liebe, auf jeden Fall unbezahlt, überantwortet wird. Mit ihrer Gratisarbeit subventionieren die Frauen demnach pausenlos und derzeit wieder in wachsendem Masse die globalisierte Marktwirtschaft.

3. Eine Folge der Dynamik der Globalisierung sind regionale und überregionale Ströme der Arbeitsmigration. Als Verschiebemasse innerhalb von Ländern und über Grenzen und Meere hinweg sind Millionen MigrantInnen eine fest einkalkulierte Grösse sowohl in den privaten und staatlichen Haushalten der Herkunftsländer als auch auf den Arbeitsmärkten der Empfängerländer. Für die Philippinen und Sri Lanka ist weibliche Arbeitskraft seit Jahren ein Exportschlager und eine unentbehrliche Devisenquelle - auch eine Variante des globalen Finanztransfers. Dieser Export wird von Händlerringen und Schleppern grenzüberschreitend und illegal organisiert. Migrantinnen, oft ohne gültige Dokumente, stellen ein immer neues Potential dar, das gezwungen ist, seine Arbeitskraft unter ausbeuterischsten Bedingungen zu verkaufen. Sie werden darüber hinaus häufig Opfer sexueller Gewalt und sind einem wachsenden Rassismus ausgeliefert. Dies gilt exemplarisch für den Prostitutionsmarkt, der sein "Menschenmaterial" aus den Nachschubregionen des Ostens und Südens erhält.

Infolge der Globalisierung wird bezahlte und unbezahlte Frauenarbeit effizienter und flexibler vernutzt, zum Nulltarif oder für 'nen Appel und 'en Ei.

Christa Wichterich / Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 358, April 2001, www.graswurzel.net