Die staatliche Umweltpolitik kennt seit je her den verrückten Gegensatz zwischen Umwelt und den „wirtschaftlichen Interessen“. Auch der aktuelle Vorsatz des Schweizer Bundesrates einer „Grünen Wirtschaft“ versucht, „… Rahmenbedingungen zu schaffen, die sowohl umwelt- als auch wirtschaftspolitischen Interessen dienen.“ (Bundesamt für Umwelt, BAFU) Aber worin bestehen denn die „wirtschaftspolitischen Interessen“ der Schweiz, wenn sie mit dem Erhalt von Mensch und Umwelt so schwer vereinbar sind?
Für die Wirtschaft steht fest: „Aufgabe der Unternehmen sei und bleibe es, Profite zu optimieren. Sind die Rahmenbedingungen richtig gesetzt, könnten sie dies tun, ohne der Umwelt und der Gesellschaft zu schaden.“ (N. Beglinger, Cleantech) Selbstverständlich ist der Zweck der Wirtschaft nicht die Menschheit mit einer natur-freundlichen Lebensqualität zu versorgen, sondern den Profit zu steigern. Und dieser Zweck kann durchaus „der Umwelt und der Gesellschaft“ erheblichen Schaden zu fügen, weil jede Rücksichtnahme auf Mensch und Umwelt Kosten verursacht, die den Profit schmälern. Ausgenommen sind betriebsinterne Massnahmen, die den Profit erhöhen – beispielsweise ein kostensparender Energieverbrauch. Ansonsten bedeutet jede freiwillige Rücksicht auf Mensch und Natur, die Kosten verursacht, immer auch ein Nachteil gegenüber der Konkurrenz am Markt. [1]
Eine „ressourceneffizientere Wirtschaft“ – das Kernstück der aktuellen Revision des Umweltschutzgesetzes (USG) – akzeptieren die Unternehmensverbände daher auch nur, wenn sie damit ihre Betriebskosten senken können; was sie ja sowieso schon machen. Auch die „Lebenszeit von Produkten“ will man ihnen in Zukunft vorschreiben, weil die Betriebe anscheinend möglichst kurzlebige und irreparabele Waren herstellen, um dann möglichst viele von diesen Wegwerf-Produkten verkaufen zu können. Allein dafür werden jede Menge Ressourcen verschwendet, mit denen sich aber jede Menge Profit machen lässt. [2]
Die Umweltpolitik hat wiederum viel Verständnis für die Profitinteressen der Wirtschaft: „Wenn die Schweiz Massnahmen hin zu einer Grünen Wirtschaft frühzeitig an die Hand nimmt, kann sie als Innovations- und Wissensstandort mit ihrer leistungsfähigen Exportindustrie ihre Position im Bereich der Umwelttechnologien deutlich stärken und sich einen Vorsprung verschaffen.“ (BAFU) Bloss den Menschen und ihre Umwelt vor den schlimmsten Schäden durch die kapitalistische Produktionsweise in Schutz zu nehmen („Überfischung, Abholzung der Regenwälder, Klimaerwärmung, …“), das will die Politik auch nicht. Der staatlich verordnete Umweltschutz muss insgesamt Mehr-Profit abwerfen, weil auch die Politik durch Steuern und Kredit vom Wirtschaftswachstum profitiert. D.h. Umgekehrt: Wenn die „grüne Wirtschaft“ nicht in ein „grünes Wirtschaftswachstum“ umschlägt, dann wird der Umweltschutz zu teuer. Deswegen wird die USG-Revision bereits in der Vernehmlassung verworfen mit der Begründung: „… man wolle der Wirtschaft keine weiteren Hürden auferlegen“ (NZZ, 17.09.)
Der Umweltschutz ist also auch für die Standortpolitik ein Abzug vom volkswirtschaftlichen Geldgewinn, und damit eine Kostenfrage. [3] Deswegen sind z. B. Emissionen im Sinne des USG „… so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist.“ (USG, Art. 11) Selbst wenn also ein schonender Umgang mit Mensch und Natur technisch möglich ist, muss er sich in der Marktwirtschaft daran messen lassen, ob er für die Profitinteressen „tragbar“ ist. Dieser systemeigene Gegensatz von Umweltverträglichkeit und Profit ist daher immer eine politische Abwägung zwischen Wachstum und dem Erhalt seiner natürlichen wie menschlichen Voraussetzungen.
Dementsprechend bestimmt die Umweltpolitik Grenzwerte aller Art, mit denen die Wirtschaft noch gut wächst, aber das Volk und Land nicht zu sehr verseucht wird. Eine ganze Branche – die Atomindustrie – wird aus dem USG herausgehalten und im Atomenergiegesetz extra geregelt, weil sie die 'normalen' Grenzwerte für den Strahlenschutz gar nicht erst einhalten kann. Mit “Umweltverträglichkeitsprüfungen” wird die Umweltverschmutzung politisch verhandelbar gemacht; und mit marktkonformen “Strafbestimmungen” sogar bezahlbar gemacht: Schon für 20'000 Fr. kann man gegen das Umweltschutzgesetz verstossen (vgl. USG, Art. 61). Für viele Unternehmen geht dies einfach als Kosten in die Betriebsrechnung mit ein.
International gesehen, muss der nationale Umweltschutz ebenso eine „leistungsfähige Exportindustrie“ mit „Vorsprung“ gewährleisten. Auch die Schweiz produziert demnach gegen alle anderen. Eine gemeinsame Ressourcenplanung ist da schon gar nicht möglich. Der globale Kapitalismus kann überhaupt nicht schonend mit der Welt umgehen. Das masslose Geldwachstum aller Kapitalstandorte verlangt einen 'schonungslosen Raubbau' an der Natur. Für den Konkurrenzvorteil im Kampf um Profite und Absatzmärkte werden nationale Umweltstandards sogar teilweise abgebaut.
Insgesamt sehen alle Staaten zwar die Welt und damit die globalen Wachstumsvoraussetzungen z. B. durch die Klimaverschmutzung untergehen, wegen ihrer Standortkonkurrenz können sie sich aber trotzdem seit 20 Jahren nicht darauf einigen, auf wessen Kosten das Klima gerettet werden soll. Alle Staaten sind sich wiederum darin einig, dass das globale Kapitalwachstum unbedingt weiter gehen muss. Gegen diese Internationale der Kapitalverwertung kommt der Endverbraucher mit ein paar Sparglühbirnen, Mülltrennung u.ä. sowieso kaum an.
Beispiel Energiemarkt: Der Preis bestimmt das Geschäft und macht damit das Klima kaputt
"Die Internationale Energieagentur (IEA) warnt vor einer für das Klima fatalen Trendwende: Die Nachfrage nach billiger und dreckiger Kohle hat stark zugenommen und droht die Fortschritte dank den erneuerbaren Energieträgern zunichtezumachen." Der Grund: In den USA wird immer mehr Gas als Energieträger durch die gefährliche Fracking-Technik gewonnen, so dass die amerikanische Kohle nicht mehr konkurrenzfähig ist. Durch die internationale Wachstumskrise fiel der Kohlepreis auf dem Weltmarkt dann so sehr, dass europäische Energieunternehmen kostengünstig amerikanische Kohle importieren können. Eine gute Nachricht für das Geschäft, eine schlechte für die Umwelt: Die Kohle aus Indiana und Illinois ist „die dreckigste Kohle des Landes. Ihr Schwefelgehalt ist bis zu dreimal höher als in der Kohle, die aus Russland nach Europa ausgeführt wird.“ Für den Profit lohnt es sich aber, die amerikanische Dreckskohle mit Containerschiffen nach Europa zu fahren, und auf die viel sauberer und nähere Kohle aus Russland zu verzichten.So „erzielen deutsche Werke mit US-Kohle eine Profit von über 14 Euro pro Megawatt Strom“ und bauen neue Kohlekraftwerke oder nutzen einfach die alten: „Besonders kritisch ist laut Energieagentur, dass 60 Prozent aller Kraftwerke … nicht auf dem neuesten technologischen Stand sind.“ „Völlig zur Farce gemacht wird damit die 'Energiewende' in Europa.“ Die „viel zu grosszügigen CO2- und Schwefelquoten“ (Greenpeace) der EU fördern da bei ganz systemgerecht die Konkurrenzfähigkeit des europäischen Kapitalstandorts mit einer zuverlässigen, unersättlichen und vor allem billigen Energiezufuhr. Alternative Energieformen mögen da noch so ökologisch sinnvoll und schon lange technisch möglich sein, aber als kapitalistischer Kostenfaktor sind sie zur Zeit einfach total unvernünftig. (alle Zitate aus: Tagesanzeiger, 13.05.2014)
„Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen allen Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.“ (K. Marx, Das Kapital, Bd. 1, S. 529f.)