Ökologisch ist Fracking ein Desaster
Die IEA hinkt den Entwicklungen stets etwas hinterher und neigt dann dazu, ihre verspäteten Erkenntnisse zu dramatisieren. Denn schon seit zehn Jahren setzen Öl- und Gaskonzerne in den USA zunehmend auf Fracking. Mit dieser Technik werden Öl und Gas, die aus den konventionellen Quellen kärglicher sprudeln, aus dem Gestein heraus gesprengt. Umstritten ist diese Fördertechnik, weil sie viel Wasser und Chemie benötigt und die frei floatenden Gase und Gifte das Grund- und Trinkwasser verseuchen.Die Umweltschäden, die das Fracking verursacht, wurden in vielen Reportagen und Filmen dokumentiert. Doch energiewirtschaftlich, so glaubte man, zahle sich die neue Fördermethode aus. Denn mit den unermesslich grossen Reserven an Öl und Gas aus Schiefergestein lasse sich der Höhepunkt der fossilen Energieförderung, der sogenannte «Peak», weit hinaus schieben. Das prophezeite die Öl- und Gaswirtschaft, und das fürchtete die Wind- und Solarlobby.
Schiefergas-Förderung ist auch ökonomisch ein Verlust
Inzwischen aber wandelt sich dieser Traum zum ökonomischen Alptraum. Grund: Der neue Öl- und Gas-Boom führte zum Überfluss. In den USA sausten die Gaspreise in den Keller. Das macht die Förderung mittels Fracking ebenso unwirtschaftlich wie die Produktion von Fotovoltaik-Panels in der von Überkapazitäten geplagten Solarbranche. Schon im Juni 2012 klagte laut «Wallstreet-Journal» Rex Tillerson, Chef des Ölkonzerns Exxon: «Wir sehen nichts als rote Zahlen, wir verlieren unser letztes Hemd.»Damit Fracking rentiert, so schätzen unabhängige Ökonomen, müssten sich die Marktpreise für Erdgas in den USA gegenüber dem heutigen Stand verdoppeln – und damit wieder das Niveau im (Hochpreis-)Jahr 2008 erreichen. In absehbarer Zeit wird das kaum geschehen. Denn seit der Wirtschaftskrise von 2009 schrumpft in den USA und den meisten andern Industriestaaten die Nachfrage nach Energie. Gleichzeitig wachsen die Überkapazitäten.
Aus diesem Grund exportieren die USA zunehmend Kohle nach Übersee. Folge: In Europa verdrängt die billig importierte Kohle in der Stromproduktion zunehmend das (hier doppelt so teure) Erdgas und machte Gaskraftwerke unrentabel. Darum wuchs in Europa nicht nur die Produktion von Strom aus Solar- und Windkraft, sondern eben auch die Produktion von Kohlestrom und damit der CO2-Ausstoss.
Die Bohrspirale fördert eine Gasblase
Kommt dazu: Die Vorräte im angebohrten Schiefer sind in den USA kleiner als ursprünglich erwartet. Schon innerhalb eines Jahres, so zeigen die Erfahrungen, schrumpft die Förderleistung in einem neuen Bohrloch um 30 bis 90 Prozent, in drei Jahren um 80 bis 95 Prozent.Um die Fördermenge zu halten und die Investitionen zu amortisieren, müssen die Fördergesellschaften mit wachsendem Tempo immer schneller immer mehr Löcher ins Schiefergestein bohren. Das mehrt nicht nur die Umweltbelastung und den Widerstand der Bevölkerung. Die kettenbriefartige Vermehrung der Bohrlöcher lässt auch die Investitionskosten weiter anschwellen und fördert die Bildung einer ökonomischen Blase.
In einem gut dokumentierten Bericht im «Monde Diplomatique» vom 12. April 2013 warnte der Zivilisationskritiker und Buchautor Nafeez Mosaddeq Ahmed: «Der neue Gasüberfluss kündigt keineswegs die nächste Phase dauerhaften Wohlstands an. Es handelt sich um eine künstliche Blase. Wenn diese Blase platzt, wird sie eine Versorgungskrise und eine Preisexplosion auslösen, die für die Weltwirtschaft schwere Folgen haben könnte.»
Er ist nicht der einzige Skeptiker. Der Chor der mahnenden Geologen und Ökonomen wird in den USA immer lauter. Daraus folgerte der Wirtschaftsjournalist Markus Gärtner am 13. Mai im «Manager Magazin online»: «Im schlimmsten Fall könnte die Gas-Gier ähnliche Folgen haben wie 2008 der Immobilienhype.»