Tauschlogik und Mentalitätswandel Shareconomy – die neue Einhegung des Teilens
Wirtschaft
Für die Durchsetzung des Kapitalismus war es notwendig, die Menschen durch die „Einhegung der Commons“ von ihren Subsistenzmitteln zu trennen.
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5. Februar 2015
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Der Privathaushalt, der allein für sich die Geldmittel beschafft, war in der Zeit des Fordismus ein Erfolgsmodell, das in der sich gegenwärtig ausbreitenden Krise jedoch seinen Modellcharakter verliert. Alte Denk- und Handlungsmuster werden in Frage gestellt, neue Lebens- und Handlungsweisen etablieren sich. Zu ihnen gehört eine Wiederentdeckung des Teilens. Der exklusive Privatbesitz ist nicht mehr erstrebenswert, die gemeinsame Nutzung von Ressourcen spart nicht nur Geld, sondern durchbricht auch soziale Trennungen. Warum nicht das Auto, den Garten, die Wohnung, die Werkzeuge und anderes mehr gemeinschaftlich nutzen?
Das Teilen ist eine positiv-reziproke Handlung. Die involvierten Menschen beziehen einander wechselseitig ein. Alle haben etwas davon, und dennoch wird nicht getauscht, denn das, was sie davon haben, ist sehr vielfältig und unberechenbar. Im Kern geht es um die (Wieder-)Herstellung menschlichen Reichtums jenseits von Tausch und Geld. Tauschen hingegen ist negativ-reziprok strukturiert. Die einen wollen möglichst viel haben, die anderen möglichst wenig geben. Im Tausch werden die Menschen strukturell voneinander getrennt.
Die Shareconomy, auch kollaborative Ökonomie genannt, macht aus Teilen wieder Tauschen. Sie ist eine moderne Form der Einhegung des Teilens, ist ein Weg der Verwarenformung menschlicher Beziehungen. Ressourcen werden nicht mehr gemeinschaftlich genutzt, Teilen ist also keine soziale Handlung mehr, sondern der Eigentümer einer Ressource teilt diese auf in einen selbst zu nutzenden und einen vermietbaren Teil – physisch oder zeitlich. Teilen wird verdinglicht, ganz wie Marx es für den Warenfetisch beschreibt: Das Verhältnis von Sozialem und Dinglichem, von Mittel und Zweck kehrt sich um. Die Ressource ist nicht mehr Mittel zur gemeinschaftlichen Bedürfnisbefriedigung, sondern ihr Zweck ist der Gelderwerb.
Diesem fremden Zweck ist nun das Soziale als Mittel untergeordnet. Das Soziale wird kommodifiziert. Ich lerne nicht mehr Menschen kennen, um mit ihnen eine gute Zeit zu haben, zum Beispiel bei der gemeinsamen Nutzung meiner Wohnung, sondern ich lerne neue Kunden kennen, um ihnen temporär mein Zimmer gegen Bezahlung zu überlassen. Vermieten statt Teilen, Kunden finden statt menschlicher Begegnung.
Shareconomy ist Ausdruck der Krise. In Griechenland vermieten viele ihre Häuser und Wohnungen über AirBnB – aus Not. Wenn Arbeitskraft nicht mehr gefragt ist, bleiben oft keine anderen Ressourcen, die noch zur Verwertung taugen. Ökonomisch gesehen handelt es sich dabei um eine Umleitung von Einkommen: „Ich gebe dir von meinem Einkommen für die Nutzung deiner Ressource, bessere damit dein Einkommen auf und spare selbst dabei.“ Dabei wird nicht nur kein neuer Wert geschaffen, sondern das gemeinsame Nutzen von Ressourcen vermindert den Absatz und damit die Produktion der entsprechenden Waren. Das ist ökologisch sinnvoll, aber ökonomisch bedrohlich, weil es die Krise befördert. Der Kapitalismus kann nur existieren, wenn Verwertung mittels Produktion und Absatz neuer Waren gelingt.
Individuell ist die Vermietung eigener Ressourcen eine Möglichkeit, das eigene Budget aufzubessern bzw. durch Nutzung der günstigen Angebote Ausgaben zu reduzieren. So schont die massenhafte Nutzung von UberPop (Vermittlung privater Fahrten) den eigenen Geldbeutel, ist jedoch für die Taxi-Unternehmen eine existenzbedrohende Konkurrenz. Doch die Logik, dass mein Fortkommen stets immer auch auf Kosten von anderen geht, durchzieht die Warengesellschaft als Ganzes. Die Exklusionslogik betrifft ebenso die Lohnarbeiter_innen und Unternehmer_innen wie eben auch die Shareconomy.
Ganz im Sinne der Schumpeterschen schöpferischen Zerstörung löst die Shareconomy bestimmte Märkte auf und schafft neue. Wird Carsharing zum Massenphänomen, sinkt die Autoproduktion. Wird der nächste Griechenland-Urlaub massenhaft im AirBnB-Quartier verbracht, müssen viele Hotels schliessen. Im Unterschied zu früheren Innovationszyklen ist der schöpferische Anteil jedoch wesentlich kleiner als der zerstörerische: Grosse Marktsegmente werden zersetzt, und der Rest wird umverteilt. Dass daraus einige spezialisierte Vorreiter als Sieger hervorgehen, liegt auf der Hand. In den USA ist innovative Disruption – flächendeckende Marktzerstörung bei punktueller Innovation – explizite Strategie des Venture-Kapitals. Autokannibalismus statt Kapitalverwertung, und die Shareconomy bietet ein Spielfeld dafür.
Unter dem Label Shareconomy werden jedoch auch commonsorientierte Praktiken subsumiert, die mit Ökonomie nicht viel zu tun haben. Alle Projekte müssen sehen, wie sie die finanziellen Mittel aufbringen, die sie im Kapitalismus nun einmal benötigen. Die Scheidung geschieht dort, wo die gemeinschaftlichen Praktiken am Teilen oder am Tauschen orientiert sind. Dort wo Commoning und Geldlogik getrennt sind, ist der Widerstand gegen die Reintegration in die Warenproduktion am grössten.
Obwohl die Tauschlogik mit der Shareconomy revitalisiert wird und dadurch das Teilen vergiftet, sorgt sie dennoch für einen Mentalitätswandel. Nicht mehr alles selbst zu besitzen, sondern sich Ressourcen zu teilen – und sei es gegen Geld – ist ein Schritt in die Richtung zur Wiederentdeckung des bedürfnisorientierten Teilens und des Commoning. Doch dieser Schritt ist bewusst zu gehen. Von alleine kommt der Abschied vom Tauschen nicht, zu sehr ist das bedingungsvolle, miteinander verkoppelte Geben und Nehmen Teil der alltäglichen Handlungsweise geworden. Zu lernen ist: Nur Teilen jenseits von Geld und Tausch ist echtes Teilen.