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Die Transformation der kapitalistischen Wirtschaftsordnung: Ausweg aus der grünen Sackgasse

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Ausweg aus der grünen Sackgasse Die Transformation der kapitalistischen Wirtschaftsordnung

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Wirtschaft

Es wird viel und wurde immer schon gern über die neue Gesellschaft nach dem Kapitalismus gestritten.

Datum 11. April 2025
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Die Bandbreite von Anarchisten über Sozialisten bis zu Kommunisten ist gross, doch geht der Streit im Wesentlichen um das Verhältnis zum Staat und nicht um die neue Gesellschaft, um Parteipolitik und nicht um Gesellschaftspolitik.

Wenn es denn historisch gelang, die politische Macht über den Staatsapparat zu gewinnen, fehlte in der Regel das politische Konzept für eine neue Gesellschaft. Die französische Sprache unterscheidet die Politik (der Kampf der Parteien im Staat) und der Politik (die politischen Verhältnisse in der Gesellschaft). Die spanische Rätedemokratie 1936 entwickelte sehr unterschiedliche gesellschaftliche Verhältnisse je nachdem, ob Anarchisten oder Sozialisten die Mehrheit im staatlichen Apparat hatten. In den 1970er Jahren diskutierten viele Gesellschaftskritiker konkrete Utopien.

Daraus entstand 1980 die Partei der Grünen, die gedacht war als verlängerter Arm für die gesellschaftliche Transformation. Sie ist keine Bewegung mehr, sondern zu einer staatstragenden Partei geworden.

Stattdessen gibt es inzwischen eine umfangreiche Diskussion für eine zukünftige Gesellschaft, die im Untergrund-Blättle stark von Meinhard Creydt unterstützt wird. Aber sie ist abstrakt in dem Sinne, dass sie offen lässt, ob und wie wir jemals dahin kommen wollen, können oder sollen.
Was fehlt ist der Wegweiser für heute, für die ersten Schritte, für eine gesellschaftliche Transformation, an der ich teilnehmen kann. Ich möchte die Debatte darüber mit einem Kapitel aus meinem neuen Buch anstossen.

Die Transformation der kapitalistischen Wirtschaftsordnung

Ich erinnere an die Programmatik der ‚Grünen' 1980: „Grundlagen und Ziele grüner Wirtschaftspolitik:

Wir sind für ein Wirtschaftssystem, das sich an den Lebensbedürfnissen der Menschen und zukünftigen Generationen, an der Erhaltung der Natur und am sparsamen Umgang mit den natürlichen Reichtümern orientiert. (…) Wir sind grundsätzlich gegen jegliches quantitative Wachstum, ganz besonders dann, wenn es aus reiner Profitgier vorangetrieben wird. Aber wir sind für qualitatives Wachstum, wenn es mit gleichem oder geringerem Einsatz von Energie und gleicher oder geringerer Verarbeitung von Rohstoffen möglich ist, (d.h. bessere Ergebnisse erzielt oder bessere Erzeugnisse hergestellt werden können). Wir sind für soziales Wachstum, besonders für die eindeutig Benachteiligten unserer Gesellschaft.“

Die Wachstumsspirale dreht immer höher und mit ihr die Profiterwartungen der Kapitaleigner. Im Jahr 2023 war der Nettogewinn von VW 22 Milliarden Euro, die also erarbeitet, aber nicht in Löhnen und Gehältern ausgezahlt wurden. Das ist die Kapitalrendite aus Dankbarkeit an die vermögenden Kapitalgeber dafür, dass sie in dieses Automobilunternehmen investiert haben.

Qualität statt Quantität

Ein absurd scheinendes Beispiel aus der DDR soll plastisch machen, worum es mir geht. Ich beziehe mich dabei auf einen Artikel von Fred Grimme in der Zeitschrift Schrot&Korn vom Oktober 2024 mit dem Motto „Gläser, die nicht kaputt gehen, lassen sich nur einmal verkaufen“. Es handelte sich um eine Glassorte, „die bis zu 15mal stabiler war als alles, was im Westen auf die Tische kam.“

Fred hatte in der DDR erlebt, „wie ein Kellner dutzende Gläser auf einem Tablett balancierte, stolperte, alles fallen liess – und sämtliche Gläser den Aufprall überstanden.“

In der DDR waren Rohstoffe und Energie knapp und der Bedarf an Gläsern gross. Ein Forscherteam in Leipzig hatte 1977 ein Verfahren patentieren lassen, das Trinkglas durch Ionentausch verfestigt. Seit 1980 stellte der ‚Volkseigene Betrieb VEB Sachsenglas Schwepnitz' mehr als hundert Millionen Gläser der Marke ‚Superfest' her (für Wodka, Bier, Sekt oder Weinbrand), die besonders leicht und stapelbar waren: sie sind heute „begehrte Objekte auf den Onlinemärkten für Gebrauchtes“ schreibt Fred. Der Betrieb wurde nach dem Ende der DDR kurzfristig eine kapitalistische GmbH (Saxonia-Glas), die jedoch nicht genügend Profit abwarf, so dass die Fabrikanlagen schon 1991 verschrottet wurden. „Unkaputtbar“ ist mit dem Kapitalismus unverträglich – und damit auch die Schonung von Ressourcen oder gar ein Kreislaufsystem. Er muss ständig neue Bedürfnisse schaffen und alles dafür tun, dass seine Waren nicht haltbar sind. Weltmeister darin ist China.

Eine ökologische Betrachtungsweise richtet ihren Blick auf die unterschiedlichsten Systeme von einer kleinen Kommune über einen Staat, Staatenbund, Erdteil bis zum Globus, denn die natürlichen Voraussetzungen, die Umweltbedingungen, die Bevölkerungsstrukturen und ihre Kulturen und Sprachen und auch ihre Geschichte unterscheiden sich je nach dem Standpunkt auf der Erde. Im Zusammenhang einer ökologischen Orientierung für die Parteiprogrammatik sind Wirtschaft und Gesellschaft die Hauptbereiche.
In den westlichen Gesellschaften ist die Instanz des Staates davon abgesondert. Der Begriff des Staates ist also zweideutig und lädt ein zu Missverständnissen. Die gesellschaftliche Einheit Deutschland ist ein Staat. In ihm gibt es einen Machtapparat, der ebenfalls Staat genannt wird und sich die drei Gewalten der Exekutive, Legislative und Judikative teilt und eine Verfassung (das Grundgesetz) gegeben hat, die er umsetzen und schützen soll. Sie ist im Prinzip nicht verhandelbar, kann dennoch jederzeit verändert oder gar abgeschafft werden, wenn sich die Machtverhältnisse ändern. Deutschland ist ein Staatenbund aus Ländern mit einem Bundesstaat an der Spitze. Das ist ein wichtiger Faktor für die Geschichte der ‚Grünen Partei', denn die Stadtstaaten haben eine bedeutende Rolle gespielt, während die Länder der DDR keinen Einfluss hatten.

Direkte Demokratie würde die Volksvertretung und ihre Entscheidungen per Volksentscheid legitimieren, Basisdemokratie würde ihre Vertretung per Mandat beauftragen und könnte bestimmen, dass vom Mandat nicht ohne Rücksprache abgewichen wird, das imperative Mandat. Die Frage nach der demokratischen Verfassung Deutschlands war ein wichtiger Streitpunkt bei der Gründung der ‚Grünen'. Denn:

Wir leben bislang in einer indirekten Demokratie mit Parteien, die Parteimitglieder wählen die VolksvertreterInnen aus, die jedoch nicht rechenschaftspflichtig sind, sondern nur ihrem Gewissen gehorchen sollten. Das fällt ihnen schwer, weil ihre Einkünfte (Diäten genannt) üppig sind und die Bestechlichkeit das Gewissen beschwichtigt. Für viele Parlamentarier sind die Geschenke und Nebeneinkünfte wichtig, aber vor allem ist die Politik ein Sprungbrett zu interessanten Posten in der Wirtschaft und als Berater. Man könnte von systematischer Korruption sprechen.

In einer indirekten Demokratie ebenso wie in einer Präsidialdemokratie wie Frankreich sind Volksbefragungen und Volksentscheide ein zwielichtiges Mittel der Mitbestimmung, weil mit ihnen manipuliert werden kann und oft auch wird. Dagegen kann man feststellen, dass die Demokratie in der Schweiz weiter entwickelt ist als in ihren Nachbarstaaten, weil Volksbefragungen im Alltag der Schweizer verankert sind, eine ausreichend lange Vorlaufzeit zum Diskutieren lassen und die Fragen selten manipulativ gestellt werden. Die Volksentscheide finden nicht nur auf bundesweiter Ebene statt, aber sie sind Entweder-oder-Fragen, schliessen also prinzipiell bis zu 49 Prozent aus. Das ist genauso undemokratisch wie das Mehrheitswahlrecht bei uns. Das Hauptproblem besteht in der Manipulation durch kapitalistische Medien.

Neutralisierung von Kapital durch Gemeinnützigkeit

Bei der Vorstellung des Autonomen Bildungscentrums ABC in Drochtersen-Hüll bei Stade habe ich das Konzept der Kapitalneutralisierung durch Gemeinnützigkeit schon erwähnt. Wir haben damals 60.000 € an Spenden aufgebracht und einen Kredit der Volksbank Stade von 225.000 € erhalten. Heute, 45 Jahre später, ist die Bildungsstätte ca. 2 Millionen wert und bietet Arbeitsplätze für ein Dutzend Frauen und Männer. Bei einem Verkauf müsste dieses Geld wieder für gemeinnützige Zwecke verwendet werden. So ist dem Profitdenken ein Riegel vorgeschoben.

Das Ziel jeder Wirtschaftsleistung eines Volkes müsste die Befriedigung der gesellschaftlichen Bedürfnisse sein und nicht das Wachstum der ‚Wirtschaft', das am Wirtschaftsertrag des Kapitals mit Hilfe des Bruttosozialprodukts gemessen wird. Die ‚Wirtschaft' kann wachsen und mit ihr wachsen trotzdem gleichzeitig Armut, Ungleichheit der Einkommen, Krankheiten, Arbeitsunfälle und Arbeitslosigkeit …

Das sind Gradmesser für die Menschlichkeit oder Unmenschlichkeit eines Systems. Deutschland ist heute meilenweit entfernt von der angeblich nivellierten Mittelstandsgesellschaft der frühen Bundesrepublik Deutschland.

Der Einfluss von Staat und Gesellschaft auf die meisten Bereiche der Wirtschaft jedoch ist beschränkt und nur indirekt, denn sie ist bis hin zu Altersheimen und Krankenhäusern überwiegend in privaten Händen. Ihr Erfolg ist ebenfalls privat, ihr Misserfolg jedoch muss gesellschaftlich getragen werden. Das Kapital-Eigentum verpflichtet zwar angeblich, aber die Verpflichtung bleibt ein leeres Wort, weil Kapital keine Grenzen kennt und schnell verschwindet, wenn es verpflichtet werden soll. In diesem Zusammenhang sind die Werks-Schliessungen interessant, die VW 2024 plante.

Oliver Blume (CEO Volkswagengroup = Vorstandsvorsitzender) berichtete auf der Investorenkonferenz im März 2024:
„In 2023 haben wir uns eine gute Basis erarbeitet. Unsere Baustellen kennen wir und gehen sie konsequent an, um das enorme Potential der Volkswagen Group zu heben. Mit begeisternden Produkten, einer konsistenten Strategie und einem klaren Fokus auf Umsetzung blicken wir zuversichtlich in das Geschäftsjahr 2024. Die Volkswagen Group geht aus einer Position der Stärke in das Langstreckenrennen der Transformation.“

Der Geschäftsbericht sagt weiterhin:

Alle Markengruppen haben zur Entwicklung des Operativen Ergebnisses von 22,6 Mrd. Euro beigetragen; bereinigt um Bewertungseffekte insbesondere aus Rohstoffsicherungsgeschäften erreicht das Operative Ergebnis 25,8 Mrd. Euro. Der Umsatz ist auf 322 Milliarden um 15 % gestiegen, der Absatz auf 9,4 Millionen Fahrzeuge um 10 % gestiegen, der Gewinn betrug 26 Milliarden €, pro Aktie stieg er um 8 %. Der Konzern hatte flüssige Geldmittel in Höhe von 40 Milliarden €. Derselbe Konzern behauptete wenige Monate später, Werke schliessen zu müssen. Das ist eine Lüge. VW schliesst Werke, weil sie nicht mehr den gewünschten Profit bringen, den die Börsenanleger fordern. Das betrifft insbesondere Werke, die in Deutschland liegen, weil dort die Kosten der Beschäftigten höher sind als anderswo. Die Konsequenz könnte nun sein, die Fabriken zu vergesellschaften, die VW schliesst, um notwendige Verkehrsmittel herzustellen, die VW nicht produziert, weil es nicht profitabel genug ist. An dieser Stelle möchte ich hervorheben, welche Macht private Konzerne haben, die zudem noch international agieren. VW ist nur einer der drei Automobilkonzerne Deutschlands, aber sein Jahresumsatz ist fast so gross wie der gesamte Jahreshaushalt der Bundesrepublik Deutschland. Nimmt man Mercedes mit 153 Milliarden, BMW mit 251 Milliarden hinzu, sind allein die drei Autokonzerne wirtschaftlich mächtiger als der deutsche Staat.

Das macht ihn erpressbar.

Zum Vergleich: Die Einnahmen der Bundesrepublik Deutschland für den Jahreshaushalt 2023 betrugen 392 Milliarden €.

Was tut der Staat stattdessen? Es war und ist absurd, dass er diesen Konzernen noch finanziell hilft, um ihren Absatz zu fördern. Die Menschen müssen vom Staat gezwungen (Dieselverbot) oder überredet (Kaufprämie) werden, jetzt E-Autos zu kaufen, obwohl unsicher ist, ob es in Zukunft nicht doch andere Alternativen gibt, weil die Autoproduktion nicht unendlich so gesteigert werden kann wie der Profitdruck es verlangt. Es bleibt das grundsätzliche Problem, dass der Bedarf an Autos nicht so stark wächst wie der Wunsch nach Profit. VW hat diesen Profit mit 9,4 Millionen verkauften Autos erwirtschaftet, die über 30.000 € pro Stück kosten. Würde VW stattdessen Wagen für das Volk bauen, dann müsste das Auto 10.000 € kosten und VW 30 Millionen Autos bauen für denselben Profit. Also wird VW wie Mercedes und BMW in Zukunft weiter für die wohlhabenden Mittelschichten produzieren und die Idee des Wagens für das einfache Volk, der Volkwagen, eine Erinnerung an das Nazi-Regime bleiben.

Es sind ausserhalb von China nur noch drei grosse Konsortien als Konkurrenten in der Autobranche übrig. Diese Branche ist nicht die einzige, in welcher der von Marx prophezeite Monopolkapitalismus weltweit Wirklichkeit wird. Die aktuelle Situation ist günstig für einen Paradigmen-Wechsel. Das alte Wachstums-Paradigma ist dem Kapitalismus hörig, der behauptet, der Markt würde die Probleme lösen. Die Probleme entstehen jedoch durch den Wachstumszwang in der Produktion: zu viele zu teure Autos mit zu wenig Gewinnmarge trotz des zu hohen Preises. Die Folgen sind der Abbau von Arbeitsplätzen, Arbeitslosigkeit und Werks-Schliessungen, aber auch soziale Veränderungen in Wolfsburg und anderen Produktionsstätten. Die Partei der Demokraten unter Biden hat versucht, mit hohen Schulden gegen die Industriebrachen anzugehen, aber das Problem nicht gelöst.

Das deutsche Grundgesetz nach dem 2. Weltkrieg hat auf Druck der USA den Kapitalismus fest verankert, indem es Sozialisierung ohne Entschädigung ausschloss. Die historischen Beispiele von Sozialisierung etwa in Frankreich unter François Mitterrand in den 1980er Jahren waren allerdings auch nicht ermutigend, weil es eine Verstaatlichung war, also nur ein Besitzerwechsel, und der Staat als Besitzer bürokratische Hemmnisse hinzufügte. Das ist keine Lösung, wenn der Staat an die Stelle des Kapitals tritt, ohne etwas zu ändern. Er macht es nur schlechter, nicht einmal sozialer, weil Bürokratie und politischer Filz hinzukommen.

Es gibt aber Vergesellschaftung von Betrieben durch Kapitalneutralisierung und Gemeinnützigkeit, das haben viele unserer Projekte gezeigt und gelebt. Der Gedanke der gemeinnützigen Betriebe, in denen Kapitalinteressen keine Rolle spielen, kann verallgemeinert werden auf alle lebenswichtigen Bereiche. Bleiben wir bei dem Beispiel VW: Die Geschäftsführung will vier Werke schliessen. Also übernimmt der Staat diese Werke, wandelt sie in gemeinnützige Unternehmen um, behält die Belegschaft und erteilt ihr den Auftrag, Verkehrsmittel zu produzieren, die gebraucht werden. Jedes Werk organisiert sich selbst, konzipiert selbst, aber regelmässiger Austausch zwischen den Werken ist notwendig, damit der Verbund der teilautonomen Werke gelingt.

Der gemeinnützige Bereich, in dem das Kapital neutralisiert und eine interne demokratische Struktur aufgebaut wurde, ist richtungsweisend auch für Bereiche wie Gesundheit (Vergesellschaftung von Krankenhäusern, Altersheimen), Stadtplanung (Infrastruktur, öffentliche Gebäude, Verkehrsmittel, Wohnen, Einkaufen). Nur müssen daran auch wirklich die Betroffenen beteiligt werden.

Fazit

Man muss den Bereich der gemeinnützigen Unternehmen ausbauen: in der Produktion, im Wohnungsbau, in den Medien …, damit deutlich wird. was Kapitalneutralisierung bewirkt.

Produktion: Bau von kommunalen gemeinnützigen Energieversorgern oder Übernahme von unrentablen Fabriken, zum Beispiel von VW-Werken zum Bau von robusten, langlebigen, erschwinglichen, sparsamen und ästhetischen ‚Volkswagen' und Verkehrsmitteln. Herstellung von „unkaputtbaren“ Produkten (Glühbirnen zum Beispiel oder Strümpfe) wie in der Glaswarenproduktion in der ehemaligen DDR.

Wohnungen: Finanzierung von gemeinnützigem Wohnungsbau in Selbstverwaltung, der zweckgebunden bleiben muss. Enteignung von Wohnraum, der zu kommerziellen Zwecken missbraucht wird oder der mehr als ein Jahr leer steht. Renovierung dieses öffentlichen Wohnraums durch die zukünftigen Mieter. Diese Praxis hat sich an vielen Orten schon auf privater Ebene bewährt, wo Wohngruppen marode Häuser mit finanzieller Hilfe restauriert haben. Ein Bürgermeister in Italien hat sogar ein ganzes Dorf mit Hilfe von Migranten bewohnbar und lebendig gemacht. Die Neofaschisten haben ihn deshalb angeklagt und er ist vom Gericht verurteilt worden. Es geht in diesen Fragen um viel, nicht nur um Geld.

Basis-Demokratie: Es ist absurd, dass die meisten Politiker Entscheidungen für gesellschaftliche Bereiche treffen, in denen sie absolute Laien sind. Sie brauchen einen riesigen Apparat von Beratern und Redenschreibern und müssen sich oft in völlig neue Sachgebiete einarbeiten, um wenigstens den Eindruck zu erwecken, sie hätten Ahnung. Zum Beispiel: Weder Joschka Fischer noch Annalena Baerbock hatten in Aussenpolitik Erfahrungen und historisches Wissen, womit sie auf ihr verantwortungsvolles Amt und die Kriegsproblematik vorbereitet gewesen wären, aber auch der Philosoph Habeck als Wirtschaftsminister war überfordert und hat entsprechend Fehler gemacht. Ein Gesundheitsminister, der als Arzt sich zumindest mit dem Thema Krankheit schon beschäftigt hat, ist die grosse Ausnahme und ein Fortschritt im Vergleich zum CDUler Jens Spahn, der ahnungslos und obenhin vermutlich korrupt war. Umso mehr fällt auf, dass Karl Lauterbach von der SPD als Gesundheitsminister ein autoritärer Diktator ist, der sehr weitreichende Entscheidungen selbstherrlich fällt.

Betroffen vom Thema sind nicht nur Ärzte, auch Psycho- und Physio-Therapeut-innen oder Ernährungsberater. Bei Corona haben wir ebenfalls gesehen, dass Gesundheit ein Arbeitsfeld ist, das nicht nur Virologen, sondern auch Kinderärzte, Krankenschwestern und -pfleger, sowie Psycholog-innen und Altenpfleger-innen ... betrifft.

Andere Arbeitsfelder verbinden gleichfalls verschiedene Berufs- und Interessensgruppen. Naturschutz betrifft auf unterster Ebene Gemeindevertreter-innen, Jäger, Landwirte, Naturschützer-innen, Gewerbebetriebe, Hausbesitzer …

Das ist auch heute schon so, nur dass alle Erlasse und Gesetze von oben nach unten durchgesetzt werden und der entsprechende Minister parteiisch ist. Es ist also von vornherein klar, dass es nicht um die gemeinsame Lösung gemeinsamer Probleme geht, sondern um die Macht dessen, der gerade das Sagen hat. Bestenfalls sind 50,1 % der Wähler, die abgestimmt haben, mit dem Resultat zufrieden (also nur 40 % der Wahlberechtigten). Schlimmstenfalls sind es 4 % dieser Wähler, weil die FDP sich durchgesetzt hat.

Die Diskussions- und Entscheidungsprozesse laufen in einer Basisdemokratie von unten nach oben. Ziel müsste sein, alle gesellschaftlichen Entscheidungen, wie sie heute auf verschiedene Ministerien aufgeteilt und von oben nach unten gefällt werden, basisdemokratisch zu entwickeln und von den Delegierten im Bundesrat entscheiden zu lassen, denn der Bundesrat ist die Vertretung der Länder.

Eine Basisdemokratie muss thematisch und auch regional organisiert sein. Das bedeutet, die Kommunen wählen ihre Vertreter für die Landkreise, die für die Landesparlamente Vertreter wählen, und die Landesparlamente schicken ihre gewählten Vertreter in den Bundesrat. Die gewählten Politiker und Politikerinnen müssen gleich an Zahl und können Mitglied einer Partei, eines Vereins oder einer Basisgruppe sein, aber es werden Personen und keine Parteien gewählt. Parteien sind künftig nur noch private politische Vereine, wenn es demokratisch zugehen soll.

Daneben soll es die Parlamente der verschiedenen Gesellschaftsbereiche geben, die ich Arbeitsfelder nenne (Gesundheit, Familie, Arbeit, Wirtschaft …), die ebenfalls von unten nach oben aufgebaut sind und von den heutigen Ministerien verwaltet werden. Der Unterschied zu heute besteht darin, dass die künftigen Ministerien nicht mehr von parteilichen Politikern, sondern von Fachleuten geleitet werden, die eine sachliche Auseinandersetzung führen. Politik als Karriereleiter für sprachgewandte Juristen oder Demagogen wäre damit ausgeschlossen, denn sie wären der Basis rechenschaftspflichtig. Lobbyismus und Bestechung hätten ein schweres Spiel.

Konkret bedeutet das zum Beispiel für das Landwirtschaftsministerium, dass es Abteilungen hat für Ackerbau, Ernährung, Umwelt, Tierwohl, Pflanzen- und Naturschutz, Wald, Wasser, Raumplanung, Tourismus …, die von Fachleuten geleitet werden. Und diese Fachleute wurden von ihrer Basis in die bundesweiten Versammlungen geschickt, die wiederum ihre Repräsentanten im Ministerium bestimmt haben.

Diese Fachleute sind in jedem Ministerium nicht von parteiischen Politikern ernannt, sondern gewählte Vertreter aus den Regionen und rechenschaftspflichtig. Sie wählen wiederum die Minister und auch ihre Vertreter für das Parlament (den Bundestag).

Das Verhältnis zwischen Bundesrat und Bundestag bleibt unverändert, aber die Verwaltungsstruktur wird verbessert, weil es Fachleute in den Ministerien sind, und vereinfacht, weil es nicht mehr die zusätzliche Ebene der politischen Parteien zwischen Volk und Regierung gibt. Der einträgliche Beruf des bestechlichen Parteipolitikers würde damit unattraktiv.

Bundesrat

Für das Gesundheitsministerium zum Beispiel würde die Struktur folgendermassen neu geschaffen werden: Der Bundesrat bleibt wie bisher oberstes Gremium aller Ländervertretungen, aber er ist künftig eine Versammlung von Delegierten. Er wählt sein Präsidium, das die politischen Entscheidungen nach aussen zu vertreten hat. Das ist die gesamtpolitische Ebene. Er hat wie bisher Einspruchsrechte und -möglichkeiten in Bezug auf Entscheidungen des Bundestags.

In den Kommunen und Regionen müssen von ihren gewählten Vertretern die Situation eingeschätzt, die Probleme beschrieben, Entscheidungen abgewogen und Delegierte bestimmt werden, die beauftragt werden. Sie können also nur nach Rückfrage oder mit Rückversicherung eine andere Position als in ihrem Auftrag vertreten. In den Bundesländern müssen dann die Delegierten beraten und Lösungen für das Bundesland entwickeln. Das Gesundheitsministerium trägt die Ergebnisse der verschiedenen Bundesländer zusammen. Auf dieser Grundlage kann dann die Ländervertretung − der Bundesrat − eine Gesamtschau der Problemlage aller Bundesländer machen und Entscheidungen treffen, welche konkreten Massnahmen ergriffen werden sollen. Experten müssen den finanziellen Bedarf ermitteln. Dann wird vom Bundesrat eine Delegation des Gesundheitsministeriums gewählt, die mit dem Finanzministerium verhandelt. Sollte es zu keiner Einigung kommen, muss das Parlament des Bundestags entscheiden. Nicht nur das Gesundheitsministerium ist primär Ländersache und deshalb beim Bundesrat anzusiedeln, sondern fast alle anderen gesellschaftlichen Bereiche auch, wie sie heute unter den Ministerien aufgeteilt sind:

1) Arbeit und Soziales, 2) Ernährung und Landwirtschaft, 3) Familie, Senioren, Jugend, Männer und Frauen, 4) Verkehr und Digitales, 5) Umwelt, Natur- und Verbraucherschutz, nukleare Sicherheit, 6) Bildung und Forschung, 7) Wohnen, Bauwesen und Stadtentwicklung, 8) Wirtschaft und Klimaschutz Eine besondere Rolle bekommt das Umweltministerium, denn die Umweltfrage stellt sich in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Seine Zustimmung ist bei jeder Entscheidungsfindung wesentlich.

Direkte Demokratie

Beim Bundestag würden dann folgende Ministerien bleiben:

1) Finanzministerium, 2) Innenministerium, 3) Aussenministerium, 4) Verteidigungsministerium und 5) Kanzleramt

Diese vier Minister- und der Kanzlerposten sollten einzeln und zur allgemeinen Wahl ausgeschrieben werden, damit sie eine gesellschaftliche Legitimation bekommen. Es darf nicht sein, dass der Kanzlerposten von einer Partei bestimmt wird, die von einer Minderheit der Wahlberechtigten gewählt wurde. Bei der letzten Bundestagswahl bekam die SPD den Kanzlerposten und hatte effektiv nur um die 20 % aller Wählerstimmen erhalten, weil 22 % der Wähler nicht zur Wahl gegangen waren.

Voraussetzung für die Kandidatur sollte selbstverständlich die fachliche Qualifikation sein. Um aber die Spreu vom Weizen zu trennen, müsste eine Mindestzahl von UnterstützerInnen gegeben sein (vielleicht zehntausend Unterschriften von Personen, die die Kandidatur unterstützen).

Direkte Demokratie ist aber noch notwendiger in aktuellen wesentlichen gesellschaftlichen Fragen (wie zum Beispiel Krieg). In Anlehnung an die Schweizer Praxis, die sich seit mehreren Jahrhunderten bewährt hat, sollte zeitlich begrenzt eine ausführliche, breite gesellschaftliche Debatte öffentlich geführt werden und dann eine Volksabstimmung erfolgen, wobei für manche Fragen eine 2/3-Mehrheit erforderlich sein dürfte, wenn man eine gesellschaftliche Spaltung vermeiden will.

Öffentlichkeit

Es gibt schon öffentlich-rechtliche Unternehmen, die dem Profitzwang und privatkapitalistischen Interessen nicht unterworfen sind, also auch weniger von Werbekunden abhängen als die kommerziellen Unternehmen. Zwar könnten sie noch demokratischer organisiert werden, aber sie sind qualitativ eindeutig überlegen. Gerade im Medienbereich gibt es viele Beispiele hervorragender Non-Profit-Unternehmen wie Wikipedia. Auch Rundfunk und Fernsehen sind qualitativ besser.

Dieser öffentlich-rechtliche Bereich sollte ausgebaut werden.

Also: Schaffung von gemeinnützigen Print- und Internetmedien (lokal und überregional), die nicht durch Werbung finanziert sein dürfen. Bereitstellung von Räumlichkeiten für öffentliche Diskussionen oder Veranstaltungen.

Einführung eines Wohlsein-Index als Massstab der gesellschaftlichen Leistung anstelle des Bruttosozialproduktes

Die uneingelösten Versprechen der bürgerlichen Revolution vor zweieinhalb Jahrhunderten in Frankreich sind Freiheit, Gleichheit, Fraternität (Brüderlichkeit). Ausserdem hat sich unsere Welt dahingehend geändert, dass Frauen zumindest formal an der Seite der Brüder gleichberechtigt sind. Unbestritten bleiben: Freiheit und Gleichheit.

Es sollte jedoch nicht nur um Solidarität wie zwischen Brüdern gehen, sondern um das Grundprinzip, das auch im deutschen Grundgesetz festgeschrieben wurde, ‚die Würde des Menschen ist unantastbar'. Wir wissen inzwischen, dass sie tagtäglich angetastet wird und sehr relativ ist. Man denke an die Altersheime und andere Gefängnisse. Auch Freiheit und Gleichheit sind sehr unterschiedlich verteilt, das bedarf keiner weiteren Erklärung.

Anstelle der Fraternität sollten wir setzen: Menschenwürde

Neu hinzugekommen zu den leider immer noch unerfüllten Wünschen der bürgerlichen Revolutionäre von 1789 ff ist die Erkenntnis der Bedeutung von Luft, Wasser und Nahrungsmitteln für das Überleben der Menschheit. Etliche Reiche kaufen sich Inseln und lassen sich dort Bunker bauen für den Fall eines Atomkrieges. Das ist weitsichtig gedacht und gehandelt, aber nicht verallgemeinerbar. Andere noch Reichere planen den Umzug auf den Planeten Mars. Es muss bezweifelt werden, dass ihre Wohnstätten dort vor ihrem Tode bezugsfertig werden.

Diese auf den Menschen und seine Gesellschaft bezogenen Forderungen müssen heute auf Grund der Umweltbelastungen und der Naturzerstörung ergänzt werden:

Die Rettung der Umwelt ist ein vordringliches Ziel. Bislang wird von den reichen Staaten versucht, das Problem zu exportieren. Deswegen werden die armen Staaten unbewohnbar und die Menschen kommen zu uns.

Anstelle des Wirtschaftswachstums sollten wir setzen: Umwelt.

Ökologische Wirtschaft

Es geht vordringlich um die Ersetzung der Tauschwertproduktion durch eine Gebrauchswertproduktion: nicht der Verkauf einer Ware auf dem fiktiven ‚Markt' (heute nicht mehr auf dem Dorfplatz, sondern im Internet bei Amazon & Co) sei das Ziel des Wirtschaftens, sondern die Befriedigung von Bedürfnissen durch Produkte, die gebraucht werden. Die Werbeindustrie wird damit überflüssig, denn deren Aufgabe ist es, künstlich neue Bedürfnisse zu schaffen. Es wird dann immer wieder neu eine gesellschaftliche Aufgabe sein zu diskutieren, welche Bedürfnisse notwendig sind und für alle garantiert werden müssen und welche darüber hinaus produziert werden können oder sollen.

Die modernen Medien sind nicht nur schädlich, sondern können auch nützen. So lässt sich zeitnah der Bedarf an Brötchen wie der Bedarf an neuen Autos ermitteln. Nur ist die Diskussion nicht dieselbe, denn bei den Autos sind grundsätzliche Fragen zu klären. Es geht nicht darum, den Trabant aus der DDR wieder einzuführen, der aus einer Mangelsituation entstanden ist. Heute werden zu viele und zu luxuriöse PKWs hergestellt, weil Überkapazitäten in der Automobilbranche entstanden sind, so dass der heimische Markt zu klein geworden ist.

Es geht darum, den gesamten Verkehrssektor zu verändern, damit der öffentliche Verkehr ökologisch organisiert werden kann, und dann erst den PKW-Bedarf zu ermitteln. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die jede kleine Gemeinde ebenso betrifft wie das gesamte Volk.

Solange die deutsche Gesellschaft abhängig vom Wohlergehen der Automobil- und der Pharmaindustrie bleibt, muss sie Autobahnen ohne Tempolimit bauen und Pestizide in der Landwirtschaft einsetzen lassen. Andererseits ist dieser Markt von schnellen Autos oder Glyphosat in Deutschland viel zu klein für VW beziehungsweise Bayer, so dass die Frage ist, ob nicht einzelne Werke, die wegen Überproduktion schliessen müssen, enteignet und umgewidmet werden in Gebrauchswertproduktion.

Ein zentrales Problem ist die Landwirtschaft, weil sie wenig für die Ernährung der Bevölkerung tut und zu viel für das Geschäft der chemischen Industrie. Es sind wenige grossindustrielle Agrarunternehmen, die viel exportieren und überwiegend keine Nahrungsmittel für Menschen in Deutschland produzieren. Man kann die bäuerlichen Betriebe von der grossindustriellen Landwirtschaft trennen und gesondert fördern. Letztere muss verpflichtet werden, ökologisch zu produzieren. Es gibt keinen Grund, die wenigen grossindustriellen Unternehmen zu subventionieren. Im Gegenteil.

Ökologischer Bonus-Malus

Das bedeutet steuerliche Begünstigung bzw. Belastung gemäss den Umweltfolgen der Produktion und Distribution. Das betrifft Chemie- und Stahlwerke ebenso wie die Luftfahrt oder die Lieferdienste. Es darf nicht sein, dass die Gemeinschaft (der Staat) den Strompreis eines Stahlwerkes subventioniert, damit es nicht geschlossen und ins Ausland verlegt wird. Dann muss es vergesellschaftet werden, weil der Stahl gebraucht wird.

Haltbarkeit

Im Kapitalismus wird künstlich Nachfrage dadurch geschaffen, dass die Produkte physisch oder moralisch schnell verschleissen. Die Modebranche macht es mit jährlich neuem Frühjahrs- und Herbst-Programm vor, aber auch Apple gelingt es, durch kleine Veränderungen seine Handys regelmässig fast jährlich vor der Zeit ersetzen zu lassen.

Umweltschädliche oder gesundheitsschädliche Produkte verbieten

Klare Verbote ohne Pseudo-Verbesserungen und im Zweifel gegen den Industriellen. Das betrifft die chemische Industrie wie die industrielle Landwirtschaft, aber auch die Lebensmittelindustrie. Wichtig ist insbesondere zu unterbinden, dass giftige Produkte exportiert werden und über das Ausland heimkehren. Die lukrativen Einnahmen werden dadurch sinken und das Bruttosozialprodukt ebenfalls, aber diese Geschäfte mit Gift sind alles andere als sozial. Die Schäden werden auf die Gemeinschaft abgewälzt. Es ist dieselbe Chemie-Mafia, die auch das Gas für die Verbrennungsöfen in den KZs an die Nazis verkauft hat.

Nur das Verbot der Herstellung verhindert die weltweite Verbreitung giftiger Chemikalien. Bislang wird ihr Verkauf als Erfolg verbucht, denn er steigert das Bruttosozialprodukt. Auch der Ukraine-Krieg schafft Nachfrage.

Vergesellschaften statt Verstaatlichen

Verstaatlichen beinhaltet Bürokratisierung, Verwaltung durch Nichtbetroffene, deren Eigeninteresse ein guter und gutbezahlter Arbeitsplatz ist. Es bedeutet auch, dass Entscheidungen für 85 Millionen gefällt werden. Zum Beispiel werden gewaltige Trassen für Strom oder Gas durch das gesamte Bundesgebiet gelegt oder Terminals zur Gasanlieferung dort gebaut, wo es wirtschaftlich opportun scheint. Das sind wie die Autobahnen gewaltige Baumassnahmen, deren Zerstörungskräfte unterschätzt werden. Ein ökologisches Energiekonzept müsste von den Kommunen ausgehen und erreichen, dass sie mit einem Energiemix weitgehend autark werden, eventuell im Zusammenschluss mit anderen Gemeinden. Die Energieversorgung würde dann von den Betroffenen diskutiert und organisiert, und sie wäre nicht von den Marktpreisen bestimmt.

Personenwahl statt Listenwahl

Die Listenwahl gehört zum Parteiensystem. Entscheidend ist die Person oder sind die Personen an der Spitze, oft eine einzige, alle anderen sind automatisch mitgewählt. Damit sie nicht persönlich abweichen, werden sie der Parteidisziplin unterworfen.

Personenwahl bedeutet, dass alle Kandidaten ihre Bewerbung um den Posten inhaltlich begründen müssen. Sie garantiert, dass jede einzelne Person gewählt wird und sich für ihr politisches Verhalten in den Parlamenten rechtfertigen muss.

Auf die deutsche Regierung angewendet ergäbe das eine bunte Zusammensetzung, die bei jedem Ministerposten anders wäre. Bezogen auf die fünf Posten (Finanzministerium, Innenministerium, Aussenministerium, Verteidigungsministerium und Kanzleramt) könnte man einigermassen sicher sein, dass die gewählten Minister vorgebildet sind, Sachverstand bewiesen haben und nicht dastehen wie der Spahn vorm Virus. Es hat nichts mit Demokratie zu tun, wenn die Regierungsparteien ihre Posten verschachern. Diese Ministerposten sollten in einer Demokratie vom Volk gewählt werden.

Imperatives Mandat für die gewählten Vertreter (Delegierten)

Die Politik unterscheidet das ‚imperative Mandat' (wörtlich: ein befehlender Auftrag) vom ‚freien' Mandat des Politikers. Das freie Mandat ist an Aufträge und Weisungen nicht gebunden (nur an das Gewissen).

So wird es in der parlamentarischen Demokratie aktuell praktiziert und ist ein Widerspruch in sich. Ein Abgeordneter soll die Positionen seiner Basis vertreten. Dafür wird er gewählt. Das ist der Auftrag, der ihm gegeben und anvertraut wird, sein Mandat. Gewählte Vertreter sind nicht ihrem Gewissen verantwortlich, sondern ihren Wählern, die ihnen vertrauen. Das garantiert nicht nur, dass sie entscheiden, wie sie sollen, sondern reduziert auch die Möglichkeiten von Bestechung.

In Brüssel bei der europäischen Union sind viel mehr Lobbyisten als Parlamentarier: Schätzungsweise 25.000 Lobbyisten mit einem Jahresbudget von 1,5 Milliarden Euro nehmen in Brüssel Einfluss auf die EU-Institutionen. Etwa 70 Prozent von ihnen arbeiten für Unternehmen und Wirtschaftsverbände (nach Angaben von LobbyControl) und beeinflussen (um nicht zu sagen: bestechen) weniger als tausend Politiker. Auf allen Ebenen der aktuellen Politik geht es immer auch um persönliche Vorteilsnahme, die nur durch die Verpflichtung gegenüber der Basis verhindert werden kann.

Ein imperatives Mandat ist notwendig, damit vor der Abstimmung im Delegiertenrat Rücksprache mit der Basis genommen wird, falls sich die Position durch die Debatten geändert hat.

Das angeblich freie Mandat der parlamentarischen Demokratie wird durch den Fraktionszwang unterlaufen, der nämlich die Abgeordneten zwingt, gegen ihre politische Überzeugung zu stimmen.

Frieden ohne Waffen

Im Jahr 2024 gab es gleichzeitig 59 Kriege. Wie immer ist die USA daran beteiligt. Ihre Rüstungsindustrie hat entscheidenden Einfluss auf die US-amerikanische Grösse und wird unter Trump nicht schrumpfen. Die Nato bindet uns an die USA, aber sie ist eigentlich ein Verteidigungsbündnis und sollte es auch besser wieder werden. Deutschland war zweimal an Angriffskriegen beteiligt (Serbien und Afghanistan) mit Unterstützung des grünen Aussenministers. Da jeder Krieg mit Verhandlungen endet, sollte er mit Verhandlungen verhindert werden. Die private Rüstungsindustrie verdient enorm, aber dafür wurde ein Sondervermögen des Bundes von 100 Milliarden € bewilligt, das von der Gemeinschaft bezahlt werden muss. Das ist das klassische Muster: private Gewinne, gesellschaftliche Verluste.

Also wird es an vielen öffentlichen Stellen eingespart: in der Kultur, im Sozialbereich …

Kriegswirtschaft ist per se doppelt unökologisch:

1) kein Mensch braucht und verbraucht ihre Produkte, es gibt keine Nachfrage, sie muss künstlich durch Konflikte erzeugt werden, damit der Konsum (also der Verbrauch von Waffen und Munition) stattfindet;

2) der Konsum zerstört Umwelt und Natur einschliesslich Menschenleben. Das betroffene Land kann sich nur schwer aus eigenen Kräften ökonomisch erholen (psychologisch dauert es Jahrzehnte), aber der Krieg schafft Nachfrage im Städtebau, Landschaftspflege bis hin zu den Krankenhäusern. Ein gefundenes Fressen, auf das die deutsche Wirtschaft sich schon freut, vorausgesetzt dass „wir siegen“. Stattdessen ist der Krieg für die deutsche Gesellschaft eine grosse Belastung, nicht nur durch die Flüchtlingsfrage, sondern vor allem durch die gestörten ökonomischen und politischen Verhältnisse in Europa. Das alte schwarz-weisse Blockdenken Ost- und West-Europa wird wieder hergestellt und zerreisst viele der Grenzstaaten, nicht nur die Ukraine. Eine friedenstiftende ‚grüne' Politik müsste sich für eine neutrale Zone einsetzen, die blockfrei weder russisch noch westeuropäisch ist und keinem Militär- oder Wirtschaftsbündnis einverleibt wird, damit keine Spaltung in militärische und ökonomische Blöcke Kriegstreiberei unterstützt.

Wir könnten aus der Vergangenheit lernen.

Die Zukunft ist noch offen.

Gerd Stange

Zitiert aus: Gerd Stange, Ausweg aus der grünen Sackgasse, Edition Contra-Bass, 2025, Seiten 247-265