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Inflation: Die Preise steigen…

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Ein finanzpolitisches Irrenhaus Inflation: Die Preise steigen…

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Wirtschaft

Die EZB-Geldpolitik hat beim Inflationsziel den Plan übererfüllt – und auch an närrischen Narrativen herrscht kein Mangel.

Gebäudekomplex der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main.
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Gebäudekomplex der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main. Foto: Epizentrum (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

Datum 28. Oktober 2021
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Steigende Preise bei Öl, Gas und Strom beschäftigen die öffentliche Debatte. Die Inflation beträgt inzwischen mehr als 4 Prozent, vermelden die Experten, wobei die Preissteigerungen sich nicht auf die Abteilung Energie beschränken, sondern so gut wie überall feststellbar sind.

Umso erstaunlicher ist, welche Dummheiten zum einen von Seiten der Zuständigen, also der Fachleute in Politik und Medien, zur Erklärung bemüht werden, und zum anderen, welchen Quatsch sich das Publikum an sinnstiftenden Erzählungen bieten lässt.

Irritieren müsste ja allein schon der Tatbestand (siehe „Für wen Inflation ein Problem ist“, dass die Europäische Zentralbank (EZB), die offiziell der Herstellung von Preisstabilität verpflichtet ist, dies mit einem Inflationsziel von rund 2 Prozent verbindet.

Man stelle sich das nur einmal in anderen Sphären vor: Ein Bauleiter plant die Statik eines Hauses so, dass 2 Prozent der tragenden Teile ins Rutschen kommen (sollen). Oder eine gesundheitspolitische Behörde will einen Impfstoff, der in zwei Fällen von hundert die gegenteilige Wirkung hervorruft.

Aber der Irrsinn geht ja noch weiter. Wie man hört, streiten Ökonomen zur Zeit (bzw. schon so lange, wie es ihre Disziplin gibt) darüber, ob und wann hohe Inflationsraten schädlich sind. Und wie Wikipedia weiss, sind „die Ansichten darüber, welche Faktoren niedrige bis moderate Inflationsraten bestimmen, unterschiedlich. Es ist ein aktuelles Forschungsthema in der Makroökonomie.“ Da soll also, das könnte man ja mal als Erstes festhalten, eine Wirtschaft über die Geldmenge gesteuert werden – ohne exaktes Wissen und Bewusstsein von der Wirkungsweise der Faktoren. Nach über 200 Jahren Kapitalismus mit Inflation und Krisen rätseln Wissenschaftler, die der Politik mit ihrer Expertise zur Hand gehen, immer noch über diese Sache und forschen nach den Ursachen der von ihnen (mit) in Gang gesetzten Prozesse.

Beim blossen Glauben belassen es die Experten nicht. Jetzt muss genau gemessen und an anderen Stellschrauben gedreht werden. Dann müssen wieder die neuen Wirkungen erfasst werden. Die spannende Frage heisst: Was sagen „die Märkte“ dazu, lassen sich die veränderten Ziele (jetzt weniger statt mehr Inflation) damit erreichen? Über das ominöse Subjekt namens „Märkte“ und seine Launen weiss man nämlich nichts Genaues, zumindest nicht im Vorhinein. Nachher ist man natürlich schlauer!

Das ist marktwirtschaftliche Logik in ihrer Elementarform – und nichts ist kennzeichnender für den Irrsinn dieser Ökonomie, in der sich die Menschen bewusstlos den Gesetzen eines Marktes unterwerfen, den sie selber geschaffen haben. Mit den dadurch geschaffenen Problemen klarzukommen ist wichtiger, als diese zu erklären. Dafür darf und soll der wissenschaftliche Pluralismus mit seinen verschiedenen Glaubensrichtungen weitergehen, damit er dann der Politik einen breiten Instrumentenkasten anbieten kann.

Welcher Unsinn auf dies Weise in den öffentlichen Diskurs eingespeist wird, soll hier an einigen herausragenden Beispielen gezeigt werden.

Die Preise steigen, weil sie steigen

Momentan sind vor allem die Spritpreise, die enorm in die Höhe schiessen, Thema. Als Erklärung bekommen die Verbraucher zu hören, dass diese Preise steigen, weil der Ölpreis steigt: „Die Spritpreise steigen seit Monaten. Treiber ist vor allem der nach dem Corona-Einbruch des vergangenen Jahres gestiegene Ölpreis, der am Montag mehrjährige Höchststände erreichte.“ (SZ, 19.10.21)

Das ist eigentlich eine Nichterklärung, weil zur Erklärung der Spritpreise auf einen anderen Preis verwiesen wird, der ebenfalls steigt. Dabei ist die Erklärung noch in anderer Hinsicht seltsam: Preise sind keine Subjekte, die etwas tun oder lassen könnten. Preise werden gemacht, nämlich von Menschen, die mit ihrem Eigentum kalkulieren. Und Eigentum ist hier nicht gleich Eigentum.

Die meisten Menschen besitzen als Eigentum Gebrauchsgegenstände oder Geld für den alltäglichen Konsum und besondere Vergnügen. Es gibt aber auch Menschen, deren Eigentum den Zweck hat, mehr zu werden – wobei in der Regel auch viel für Konsum und Vergnügen des Verfügungsberechtigten abfällt. Der Eigentümer einer grossen Ölmenge braucht diese z.B. nicht in dem Umfang, wie er sie besitzt. Als Geschäftsmittel zur Bereicherung taugt der Gegenstand nur deshalb, weil diejenigen, die ihn brauchen, von der Verfügung über dieses Mittel ausgeschlossen sind. Deshalb kann der Besitzer von Öl seine Verfügungsmacht über diesen Rohstoff als Erpressungsmittel benutzen, um von Anderen Geld zu verlangen, auf das es ihm bei diesem Besitz ankommt.

Besitz an Waren oder Geld verschafft dem Eigentümer nämlich Verfügungsmacht über andere Figuren im Wirtschaftsleben. Wenn also von den allerorten stattfindenden Preissteigerungen die Rede ist, heisst das im Klartext, dass die Besitzer der verschiedenen Güter in dieser Gesellschaft – systemgerecht – ihre Erpressungsmacht nutzen, um sich zu bereichern.

Von diesem grundlegenden Sachverhalt ist aber nie die Rede, wenn die Teuerung zur Sprache kommt: „Nach dem tiefen Einbruch der Weltwirtschaft im vergangenen Jahr kommt jetzt eine Teuerungswelle. Sie ist heftiger, als die meisten Forscher vorhergesagt hatten.“ (SZ, 19.10.21) Das Resultat der Konkurrenz um möglichst viel Gewinn bekommt der Verbraucher als allgemeine Preissteigerung serviert. Geschildert wird dies aber wie ein Fatum oder wie ein Naturvorgang, dem man sich zu stellen hat.

Auch auf diese Weise kann man die Wirtschaftsweise schönreden, die auf lauter Gegensätzen beruht. Ihr sind wir alle – wie letztlich der Natur oder dem Schicksal – ausgeliefert.

Anbieter sind nicht gleich Anbieter

Wenn dann doch einmal von denjenigen die Rede ist, die die Preise erhöhen, werden sie vor allem im Ausland dingfest gemacht. Dann sind es entweder die Ölscheichs oder der Putin. Da macht es übrigens gar nichts, dass sich die meiste Ölförderung in den Händen westlicher Unternehmer befindet, die sowohl als Ölproduzenten wie auch als Hersteller von Diesel und Benzin in Erscheinung treten. Die auswärtigen Gauner sind mal wieder das Problem! Dabei folgen die betreffenden Subjekte hier und anderswo denselben (Preis-)Kalkulationen. Die Öffentlichkeit sieht das anders:

„Warum produziert das Ölkartell Opec nicht einfach mehr? Das Produzentenkartell betreibt gerade ein knallhartes Machtspiel am Ölmarkt. Nachdem man im Corona-Crashjahr 2020 das Ölangebot radikal gekürzt hatte, produzieren die Petrostaaten um Länder wie Saudi-Arabien und Russland nun schrittweise wieder mehr. Jeden Monat bis nächstes Frühjahr wollen sie die Förderquoten um 400 000 Fass pro Tag aufstocken. Das reicht aber bei weitem nicht, um die Lage am Ölmarkt zu entspannen. ‚Die Opec lässt den Rest der Welt zappeln', sagt Rohstoffexpertin Gabriele Widmann von der Sparkassen-Fondgesellschaft Deka.“ (SZ, 19.10.21)

Die Ölförderländer vergeben so viel an Lizenzen zur Produktion von Erdöl, wie sie für sich als lohnend befinden. Gazprom liefert die Menge Gas zu dem Preis, der vereinbart ist, weil er sich irgendwie für die Firma rechnet. Ganz normale Geschäftspraxis, könnte man meinen!

Nein, bei „denen“ gehört sich das nicht. Wenn sie in der Öffentlichkeit als Erpresser gehandelt werden, gehen deutsche Politiker wie Journalisten selbstverständlich davon aus, dass diese Länder immer die Menge Rohstoff zu liefern haben, die Deutschland oder Europa gerade braucht – und das natürlich zu einem billigen Preis.

Den Auswärtigen steht die Kalkulation mit ihrem Eigentum nicht zu, wie die Vertreterin der Spekulationsabteilung der Sparkassen unterstreicht. Sie haben sich vielmehr als Diener an der hiesigen Reichtumsproduktion zu bewähren. Alles andere gilt als Gegnerschaft zu Deutschland und Europa. Der Kunde zahlt mehr als früher Zur Erklärung der Preissteigerungen wird auch die gestiegene Nachfrage bemüht: „Warum geht der Ölpreis so deutlich nach oben? Hier kommt momentan vieles zusammen: Nach dem Corona-Crash läuft die Wirtschaft wieder rund und braucht mehr Öl als gedacht. China zum Beispiel ordert momentan ganze Supertanker mit US-Öl, um so viel wie möglich zu bekommen… Dazu kommt: Weil Menschen wieder mehr reisen, brauchen die Fluggesellschaften auch mehr Kerosin.“ (SZ, 19.10.21)

Als Dementi, dass der Markt immer für die beste Versorgung mit Gütern sorgt, soll die Auskunft in dem Zitat nicht verstanden werden. Worauf der Autor zielt, ist die Banalität, dass zum Handel immer zwei Seiten gehören. Wenn also die Kunden die gestiegenen Preise zahlen, dann ist damit ein neuer Grund gefunden.

Weil es eine Konkurrenz zwischen den Anbietern gibt, wird der Kunde als Entscheider dieser Konkurrenz bemüht. „‚Aber wer gut vergleicht, kann richtig sparen', sagt ADAC-Frau Katharina Luca. Wer zur richtigen Zeit tankt: Im bundesweiten Schnitt sind die Preise gegen 18.30 Uhr oder 21.30 Uhr relativ verlässlich am niedrigsten.“ (SZ, 19.10.21)

Vor welchen miesen Alternativen Otto Normalverbraucher bei allgemein steigenden Preisen steht, ist dabei abgehakt. Er braucht bloss später zu tanken, auch wenn er sich früh morgens mit einem gefüllten Tank in den Pendlerverkehr einfädeln muss. Vielleicht fährt man auch mal einen Umweg (nur Achtung: höherer Spritverbrauch!) zu einem weiter entfernten Billiganbieter?

Die wohlfeilen Ratschläge für die Kunden gehören natürlich zur marktwirtschaftlichen Cleverness, die seit eh und je gepredigt wird. Aber: Während einerseits der König Kunde gefeiert wird, ist es mit der freien Auswahl seiner Lieferanten so eine Sache: „Vattenfall hatte zuletzt etwa 500.000 Kunden darauf gescannt, ob sie Vielwechsler sind.“ (SZ, 16./17.10.21) Wer immer diesen guten Ratschlägen folgt, findet sich dann möglicher Weise auf der schwarzen Liste von Stromlieferanten wieder, die einen dann als Kunden ablehnen. So sieht es eben mit der Erpressungsmacht auf dem Energiemarkt aus: Die Konzerne haben den Verkauf an jeden Hinz und Kunz offenbar nicht nötig, während der Privathaushalt kaum auf Strom und Heizung verzichten kann.

Hinzu kommt: Kunden sind nicht gleich Kunden. Da gibt es die eine Sorte, die Waren kauft oder herstellt und dann die Produkte weiterverkauft. Sie geben damit die steigenden Preise an ihre Kundschaft weiter. Dass sie dies machen, gilt in der Öffentlichkeit als die grösste Selbstverständlichkeit, schliesslich müssen, d.h. wollen sie ihr Geschäft weiterhin lohnend betreiben, also ihren Reichtum vergrössern. Sonst wird der Laden zugemacht und das Geld anderswo angelegt.

Dann gibt es die andere Sorte Kunden, die nur kaufen, um dann zu konsumieren. Sie können – theoretisch – ihre Lebenshaltungskosten natürlich auch zum Argument machen, um ihre Arbeitskraft teurer zu verkaufen. Nur ist ihre Marktsituation eine andere. Sie können im Gegensatz zu Eigentümern produzierter Waren ihre besondere Ware – die Arbeitskraft, die an ihrer Person hängt – nicht einfach dem Käufer vorenthalten, wenn dieser nicht den geforderten Preisaufschlag bezahlt.

Schliesslich verfügen sie meist nicht über die Mittel, auch ohne Verkauf ihrer Arbeitskraft über die Runden zu kommen. Sie sind auf den Verkauf um jeden Preis angewiesen, es sei denn, sie haben für diesen Fall vorgesorgt und sich mit anderen zusammengeschlossen. Genau in dem Zusammenschluss von Arbeitnehmern und der Drohung der Leistungsverweigerung sehen denn auch die berufenen Fachleute in den Redaktionen oder Forschungseinrichtungen die grosse Gefahr:

„Schliesslich spielen auch die Gewerkschaften eine Rolle. In den Siebzigerjahren versuchten sie, die Preissteigerungen, die ursprünglich durch das teure Öl ausgelöst worden waren, durch höhere Löhne auszugleichen, was notwendigerweise zu weiteren Preissteigerungen führen musste. Das nannte man damals ‚Lohn-Preis-Spirale' oder, besonders schön, auf Italienisch: ‚Scala Mobile' (Rolltreppe). In Deutschland erstreikte die Gewerkschaft ÖTV im Februar 1974 mitten in der Ölkrise eine Lohnerhöhung von elf Prozent für den öffentlichen Dienst. Das trug nicht nur zum späteren Rücktritt von Bundeskanzler Willy Brandt bei, sondern beschleunigte auch die Inflation.“ (SZ, 19.10.21)

Auch so kann man ausdrücken, dass die Arbeitnehmer immer die Dummen sind. Kaum fordern sie einen Ausgleich für gestiegene Preise, erhöhen Unternehmen die Preise weiter, so dass die Verarmung nicht aufgehalten wird. Als Argument gegen die wunderbare marktwirtschaftliche Ordnung will der Autor das aber nicht verstanden wissen, sondern eher als Aufforderung, dass die Geschädigten sich gefälligst zu fügen haben. Und da ist er eigentlich auch optimistisch:

„Bemerkenswert vor diesem Hintergrund ist, das Frank Wernke, Chef der OTV-Nachfolgerin Verdi, in der vergangenen Woche, ‚spürbare Reallohnsteigerungen' für seine Mitglieder forderte, um die Inflation auszugleichen. Die Versuchung ist also noch da.“ (SZ, 19.10.21) Schliesslich kennt man die heutigen DGB-Gewerkschaften, auf einem wirklichen Ausgleich bestehen sie nicht, auch wenn sie mal hier und da eine Forderung erheben. Heutige Gewerkschaften handeln vielmehr im Sinne der „wirtschaftlichen Vernunft“ und des „sozialen Friedens“, sprich der Notwendigkeit, dass Gewinne sein müssen. Wenn dies sozialpartnerschaftlich geregelt wird, sind sie jederzeit zu Abstrichen bereit.

Entwarnung und Hoffnung

Zwar steigt momentan die Inflation weiter, aber das ist für staatlich berufene Wissenschaftler kein Grund zur Sorge: „Den Präsidenten des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, besorgt auch die höhere Inflation, zumindest in Europa nicht. Bei ihr handele es sich primär um einen ‚Nachholeffekt' nach der Krise. ‚Es spricht viel dafür, dass die Inflationsrate im Jahr 2022 Richtung zwei Prozent zurückgehen wird'.“(SZ, 19.10.21)

Es ist doch ein Trost zu hören, dass das Loch im Portemonnaie eigentlich schon längst überfällig war! Nach Ansicht des Wirtschaftsweisen hatten es die Unternehmen in der Krise einfach versäumt, die Preise entsprechend zu erhöhen. Und wenn in Zukunft die Preise weniger steigen, dann soll dies beruhigend sein! Dabei wird ja nichts billiger, sondern die Teuerung schreitet weiter voran, nur nicht um x, sondern bloss um x minus n Prozent, wobei sich die genauen Werte für x und n dann schon am Markt herausstellen werden. Denn, wie gesagt, nichts Genaues weiss man nicht, jedenfalls nicht vorher.

In dieser Situation richten viele ihre Hoffnung auf die Politik und die Parteien, die gewählt worden sind. Eine seltsame Hoffnung: „Eigentlich ist es ja das Ziel der Politik, besonders in Deutschland, fossile Energieträger teurer zu machen, um den Verbrauch und den Ausstoss von Co2 zu senken. Jetzt, da die Verteuerung quasi von selbst kommt, zeigt sich, dass Wirtschaft und Gesellschaft darauf gar nicht vorbereitet sind.“ (SZ, 19.10.21)

Die Verteuerung der Energiepreise ist das Ziel der neu gewählten Parteien – wirklich, nicht „eigentlich“. Und die Verteuerung kommt auch als Ergebnis staatlicher Massnahmen zustande, nicht allein durch die Einführung des Co2-Preises, den sowohl die alte wie die neue Regierung im Programm haben, sondern durch allerlei Besteuerungen.

Dass die Politik von der Wirkung ihrer eigenen Massnahmen überrascht sein soll, gehört zu den Märchen, pardon: Narrativen, die in den Medien bliebt sind. Die teuren Energiepreise sollen die Bürger ja gerade zu Einschränkungen bewegen. Sie sind somit gewollt. Insofern ist es auch eigenartig zu behaupten, Wirtschaft und Gesellschaft seien nicht darauf vorbereitet.

Die Situation ist doch ganz übersichtlich: Bei den einen beeinflussen die gestiegenen Preise ihre Gewinnkalkulation, für die anderen geht es um die Qualität ihres Lebensunterhalts. Da sind natürlich noch einige gedankliche Kunststücke zur Beruhigung des Publikums verlangt, und so will denn auch kaum ein Kommentator dieser Lage die negativen Wirkungen einfach so stehen lassen:

„SPD, Grüne und FDP sind gut beraten, die explodierenden Spritpreise gleich auf die Tagesordnung ihrer Koalitionsverhandlungen zu setzen. Der Staat verdient bei jedem Volltanken kräftig mit… Solange es nur wenig bezahlbare Elektroautos und nicht genügend Strom-Zapfsäulen gibt, darf der Staat nicht tatenlos zusehen, wie Autofahren zum Luxus wird.“ (Frank Messing, WAZ, 19.10.21)

Es bedarf schon eines gehörigen Masses an Ignoranz, die Hoffnung gerade auf die zu setzen, die in ihrem Programm weitere Preissteigerungen für Energie vorsehen. Die Wirkung der erhöhten Preise ist ja gewollt und soll nicht aufgehoben werden.

Sicherlich wird es das eine oder andere Trostpflästerchen für besonders Betroffene geben. Da kann man sich dann auf unglaublich ausgetüftelte soziale Massnahmen wie etwa die Drei-Euro-Erhöhung für Harz IV-Empfänger freuen – als Ausgleich für vier Jahre gelaufene Inflation. Natürlich alles in Massen, soweit es refinanzierbar ist. Aber in einem Punkt wird sicher kein Mangel auftreten: bei dummen Erklärungen für diesen Irrsinn der kapitalistischen Ökonomie!

Suitbert Cechura

Zuerst erschienen bei „krass und konkret“