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Die Finck-Dynastie, Mäzene des deutschen Faschismus

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Der Senior für Hitler, der Junior für die AfD Die Finck-Dynastie, Mäzene des deutschen Faschismus

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Wirtschaft

Im Jahr 2018 erschütterte ein Spendenskandal die Faschistenpartei AfD. Der Kreisverband von Alice Weidel hatte eine hohe Geldsumme aus unklaren Quellen erhalten.

Auch die Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon-Bührle (hier zwischen 1918 und 1937) gehörte zum Portfolio der Finck-Dynastie.
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Auch die Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon-Bührle (hier zwischen 1918 und 1937) gehörte zum Portfolio der Finck-Dynastie. Foto: Walter Mittelholzer (PD)

Datum 16. Juni 2021
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132.000 Euro in mehreren Tranchen hatte ein Unternehmen aus der Schweiz überwiesen, 150.000 waren aus den Niederlanden zugeflossen. Es dauerte eine Weile, bis der Spiegel und die Schweizer WOZ die Vermutung präsentierten, wo die Kohle herkam. Die Spur führte zu August von Finck junior, einem der reichsten Deutschen, ansässig in der Schweiz. Der hatte, so steht zu vermuten, die Partei der Ausländer-, Arbeiter- und Frauenfeinde offenbar schon früher über eine in München gemeldete Werbeagentur und mittels seiner Handelsfirma Degussa gefördert.

Es passt zum gönnerhaften Profil der Familie von Finck. Der Reichenclan macht immer wieder mit Parteispenden von sich reden, etwa in den Jahren 2008 und 2009 an CSU und FDP im Rahmen des sogenannten Mövenpick-Skandals. Just nach den Millionenzahlungen wurde ein „Wachstumsförderungsgesetz“ beschlossen, von dem der Hotel-Konzern immens profitierte.

Fördern ist eben Familientradition. Geht man etwas weiter zurück, findet man August von Finck senior, den Vater des heute 90 jährigen Milliardärs, als Grossspender der CSU, die sodann auch den Förderer nach Kräften zurückförderte – der Korruptionsfall Bittenbinder. Und ganz ganz früher, in jener dunklen Zeit, an die sich deutsche Kapitalistenclans schon gar nicht mehr zurückerinnern können, ja, da förderte der August von Finck senior noch einen ganz berühmten Mann.

Hitler war sprachlos vor Freude

August von Finck senior gehörte zu jenen Monopolisten der Weimarer Republik, die Demokratie und Arbeiterbewegung so verachteten, dass sie sogar schon vor der Machtübergabe an die Nazis nach Kräften den förderten, von dem sie sich die Niederschlagung ihrer Gegner erhofften: Adolf Hitler.

Der britische Historiker Henry Ashby Turner beschreibt ein Aufeinandertreffen des Bankierserben Finck mit dem Führer aus dem Februar 1931 so: Walther Funk, später verurteilter Kriegsverbrecher und Hitlers Kontaktmann für eine Reihe von Industriellen, hatte zwei grosse Fische zur Audienz bei Hitler angeschleppt. Der eine war Kurt Schmitt, von der Allianz AG, später Wehrwirtschaftsführer. Und der andere war August von Finck, Chef des Bankhauses Merck Finck & Co und vertreten in zahlreichen Aufsichtsräten, unter anderem auch der Allianz-Versicherung. Hitler, so Turner, schreckte die beiden Geldsäcke ein wenig mit dem Gespenst eines „Linksputsches“, woraufhin sie sich zur Beratung zurückzogen, wiederkehrten und dem Führer für den Fall eines kommunistischen Aufstandes 5 Millionen Reichsmark zur Unterstützung der SA zusagten. „Hitlers Verwunderung über die Höhe der Summe liess ihn kurz sprachlos werden“, steht bei Turner zu lesen.

August von Finck blieb Hitler treu. 1933 wurde er NSDAP-Mitglied, sass im Generalrat der Deutschen Wirtschaft und im Kuratorium des Münchener Hauses der Deutschen Kunst. In letzterer Funktion zeigt ihn ein Foto aus dem Jahr 1935, stramm neben Hitler, die Hand zum Deutschen Gruss erhoben. In seinen Reden und Schriften bekundete Finck eine tiefe Überzeugung zum Hitler-Faschismus. Den „Führer“ pries er öffentlich wo immer es ging. „Mein Führer! Ihnen gilt in dieser feierlichen Stunde unser erster Gruss. Von Ihnen ist der Wille ausgegangen zu dieser Schöpfung, zu diesem Tempel deutscher Kunst. Ihrem Wollen hat die Form gegeben die hohe Kunst unseres verewigten Paul Ludwig Troost […]Dem Opfersinn vieler deutscher Männer, die Sie, mein Führer, begeisterten, dankt der Bau Ausführung und Vollendung. So ist denn das Werk drei echt deutschen Kräften entwachsen: unbeugsamem Willen, gottbegnadeter Kunst und ergebener Treue“, um eine Kostprobe aus dem Jahr 1937 zu dokumentieren.

Die Nazis revanchierten sich. August von Finck wurde einer der grossen Profiteure der Arisierung. Der Baron und Bankier kassierte das Berliner Bankhaus J. Dreyfus & Co., nach dem Anschluss von Österreich auch das Bankhaus S. M. von Rothschild. Eine zum Grusse erhobene Hand wusch die andere.

Wie die meisten anderen tief in NS-Verbrechen verstrickten Kapitalisten wurde auch Finck nach 1945 kurzzeitig beäugt, um dann sofort weissgewaschen und wieder in Machtpositionen gesetzt zu werden. 1970, da war Finck schon wieder reichster Deutscher, fasste der Spiegel zusammen: „Finck-Bilanz bei Kriegsschluss: das Münchner und das Berliner Bankgebäude zerstört, das Wiener eingebüsst, das Führer-Photo mit eigenhändiger Widmung vom Klavier abgeräumt — sonst alles gerettet.“

Das Entnazifizierungsverfahren gegen Finck war eine absurde Farce – samt Bestechung, Erpressung, verschwundenen Dokumenten, befangenen Zeugen und vielem mehr – und führte dazu, dass Finck in der Kategorie der „Mitläufer“ eingestuft wurde, also überhaupt nichts zu befürchten hatte. Die Geschäfte gingen also munter weiter in der Bundesrepublik, und zwar direkt wieder auf dieselbe Art. Finck spendete an die CSU und die schusterte ihm Grund im Millionenwert zu.

Der Aufstieg ging weiter, August von Finck senior baute sein Imperium aus und nachdem er am 22. April 1980, zwei Tage nach dem Geburtstag des Führers, endlich dahinschied, übernahmen die Erben.

Degussa – in guter alter Tradition

August von Finck junior steht heute einem unübersichtlichen Geflecht von Firmen und Banken vor, in deren Zentrum nicht mehr die Privatbank Merck Finck & Co. steht, die er 1991 veräusserte. Beteiligungen hält der Junior allerdings an einer Reihe weiterer Grosskonzerne, vom Hotel-Konzern Mövenpick über den Waffenhersteller Oerlikon bis zum Technologieunternehmen von Roll.

“Das Jahr 1945 hat ja soviel Tradition über Bord geworfen”, klagte seinerzeit schon August von Finck senior und so machte sich der Junior auch daran, eine gute, deutsche Tradition wiederzubeleben, nämlich die des schwer in Nazi-Kriegsverbrechen verstrickten Konzerns Degussa, dessen Namensrechte von Finck erwarb und nun für seinen Goldhandel nutzt. Zur Erinnerung: Die historische Degussa war in die Lieferung von Zyklon B für die Vernichtungslager und das Einschmelzen von Zahngold verstrickt.

Die neue Degussa hat weniger eine rein ökonomische Funktion zur Sicherung des Reichtums des Nazi-Erben. Da sind andere Beteiligungen lukrativer. Sie ist vielmehr eine Art politisches Projekt. Wie Spiegel und WOZ recherchierten, stellte die Degussa eine Art Anschubfinanzierung bei der Gründung der AfD zur Verfügung und wie der Soziologe Andreas Kemper dokumentierte, ist sie eine Art Sammelbecken für Marktfanatiker, Demokratiefeinde und Proto- bis offene Faschisten.

Markus Krall, Geschäftsführer der Degussa, etwa träumt von einer deutschen Konterrevolution samt Einschränkung des allgemeinen Wahlrechts und König. Wahnhafte Vorstellungen über eine Hegemonie des „Kulturmarxismus“ inklusive. Andreas Kemper stellt fest: „Markus Krall setzt seine antidemokratischen Endzeit-Umsturz-Aktivität nicht neben oder trotz seiner Stelle bei Degussa Goldhandel um, sondern mit seinem Posten. Degussa Goldhandel scheint seine Aktivität – unter anderem auch durch die Zusammenarbeit mit Thorsten Polleits Mises-Institut – zu fördern.“

Verfolgen andere Kapitalisten mit ihren Parteienfinanzierungen nüchternere Ziele und spendieren eben ganz ideologiefrei all jenen, von denen sie gute Akkumulationsbedingungen erwarten, ist August von Finck ein Überzeugungstäter. Oder wie es der Bankier Ferdinand Graf von Galen einmal formulierte: “Rechts vom Gustl steht bloss noch Dschingis Khan”.

Flexible Investments

Stellt die Degussa zwar einen wichtigen Kampfposten für Fincks reaktionäre politische Vorstellungen dar, ist sie zugleich keine der wirtschaftlichen Stützen des Reichtums des rechten Monopolisten. Der gründet zum einen im Erbe aus Vatis in der NS-Zeit vermehrtem Vermögen samt dem danach von der CSU erneut zugewiesenen Landbesitz. Zum anderen in den heute bestehenden Beteiligungen an international tätigen Grosskonzernen und Finanzhäusern.

Forbes schätzt Finck auf 8,8 Milliarden Dollar, Quelle des Reichtums: ein diversifiziertes Investmentportfolio. Seit der Junior das durch Arisierung vergrösserte Bankhaus des Seniors Anfang der 1990er-Jahre verkaufte, baut er dieses Portfolio um. Zu diesen Engagements gehörten und gehören dabei vor allem Schweizer Konzerne: Oerlikon-Bührle – ein Mischkonzern mit Waffensparte -, der Maschinenbauer von Roll, der Aluminiumhersteller Alusuisse und die Hotelkette Mövenpick. Und vor allem: Die Holdinggesellschaft Custodia, die wiederum Beteiligungen an einer Reihe von Unternehmen hält, von Gas- und Ölkonzernen bis zu Baukonzernen.

Anders als bei anderen Familiendynastien, deren Wohlstand oft im Kern an einen bestimmten über Jahrzehnte oder Jahrhunderte gehaltenen Grosskonzern gebunden ist (klar, mit Investments drumherum), setzt von Finck die vom Nazi-Vater geerbte Kohle recht flexibel mal hier mal dort ein, um sie zu vermehren. „So hatte von Finck im September 2005 über die Münchner Custodia, eine börsennotierte Holdinggesellschaft der Familie, still und heimlich zu einem Kurs von 35 Euro eine erste Aktientranche an der früheren Beteiligung Hochtief erstanden. Er baute seinen Anteil nach und nach auf 25 Prozent aus und versilberte das gesamte Paket im Frühjahr 2007 zum Kurs von 72 Euro an den spanischen Baukonzern ACS“, schreibt die WirtschaftsWoche.

Was er wie genau wo investiert, zwingt den Milliardär ja niemand offenzulegen: „Auf Transparenz-Regelungen wie den Corporate-Governance-Kodex verzichtet von Finck bei der Custodia. Auch alle Fragen der WirtschaftsWoche blieben unbeantwortet.“ Oder in den Worten des Magazins Business Insider: „In der Öffentlichkeit sieht und hört man nur wenig von ihm. Er gilt — ähnlich wie einige andere Mitglieder einflussreicher Familien in Deutschland — als fotoscheu. Doch hinter den Kulissen ziehen seine Firmen zahlreiche Strippen. Viel ist über sein Imperium nicht bekannt. Von der von Finck'sche Hauptverwaltung GmbH gibt es keine Homepage, kein Logo und sie veröffentlicht keine Bilanzen — doch allein die Fakten, die über weitere Verstrickungen zugänglich sind, zeigen die gewaltige Macht der Familie von Finck.“

Weiter geht's

Auch der „junior“ von Finck geht – manch einer mag sagen endlich – dem sicheren Ende entgegen. Und so sind die Familientraditionen längst auf andere übergegangen. Vier Stammhalter zeugte der Patriarch mit seiner Gattin Francine von Finck: August Francois, Maximilian Rudolf, Luitpold Ferdinand und Maria Theresia von Finck. Sie sind gut versorgt, alle sitzen in Aufsichtsräten machen ihr Ding. Ob sie Nazis sind wie der Opa oder Faschisten finanzieren wie der Herr Papa, man weiss es nicht.

Aber man kann sicher sein, dass sie eine Tradition fortsetzen, die genau das ist, was der Vater so liebt: eine antidemokratische Anhäufung von Geschäftsmacht in den Händen einer kleinen Schicht von Profiteuren einer unmenschlichen Ordnung der Welt. Wenn sich das je ändern soll, dann wird man auch denen auf die Finger klopfen müssen, die politisch für das Fortexistieren dieser Clans einstehen – und dafür gelegentlich fürstliche Spenden kassieren.

Peter Schaber / lcm