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Chlorothalonil: ein Pestizid, das in Europa verboten ist, aber dennoch exportiert wird

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Toxische Exporte vom Syngenta-Konzern Chlorothalonil: ein Pestizid, das in Europa verboten ist, aber dennoch exportiert wird

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Wirtschaft

Chlorothalonil ist «vermutlich krebserregend» und verschmutzt das Grundwasser. Deshalb haben die EU und die Schweiz das Fungizid auf ihren eigenen Feldern verboten.

Chlorothalonil ist in Costa Rica frei verkäuflich. Eine Flasche Bravonil kostet 25 USD.
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Chlorothalonil ist in Costa Rica frei verkäuflich. Eine Flasche Bravonil kostet 25 USD. Foto: Jose Díaz

Datum 21. Juli 2023
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Dennoch exportieren sie den unter anderem von Syngenta vermarkteten Stoff weiterhin, hauptsächlich in Länder im globalen Süden, die nicht über die Kapazitäten verfügen, die damit verbundenen Risiken zu handhaben.

«Eine noch nie da gewesene Katastrophe für die Trinkwasserversorger», titelte die französische Tageszeitung «Le Monde» am 5. April dieses Jahres. Sie schrieb über einen alarmierenden Bericht der staatlichen Behörde für Lebensmittelsicherheit, Umwelt- und Arbeitsschutz, der kurz darauf veröffentlicht wurde. In Frankreich ist das Trinkwasser demnach grossräumig mit Abbauprodukten von Chlorothalonil verseucht. Das Fungizid wird unter anderem von Syngenta vermarktet. Etwa ein Drittel des Trinkwassers erfüllt die behördlichen Vorgaben nicht, und eine Aufbereitung könnte in die Milliarden gehen.

In der Schweiz machte Chlorothalonil kürzlich ebenfalls Schlagzeilen. Nach Schätzungen der Kantone ist das Trinkwasser von 700'000 Menschen mit Abbauprodukten von Chlorothalonil belastet, deren Konzentration den geltenden Grenzwert überschreitet. Am stärksten betroffen sind die landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen des Mittellandes. Es ist davon auszugehen, dass diese Verunreinigungen die Grundwasserqualität «noch während Jahren in grösserem Ausmass» beeinträchtigen werden, warnt das Bundesamt für Umwelt (Bafu). Die Kosten für eine Aufbereitung könnten zu einem Anstieg des Wasserpreises um 75% führen.

Toxische Exporte

Chlorothalonil wurde in den 1970er-Jahren auf den Markt gebracht und war lange Zeit eines der meistverkauften Fungizide in der Schweiz und in der EU. 2019 wurde die Substanz nach einem Bericht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) in der EU jedoch verboten. Denn Chlorothalonil ist als vermutlich krebserregend für den Menschen eingestuft und birgt ein hohes Risiko für Gewässerverschmutzung durch seine Metaboliten, also durch die Stoffe, die beim Abbau in der Umwelt entstehen. Diese Abbauprodukte sind ebenfalls gesundheitsschädlich. In der Folge wurde Chlorothalonil auch in der Schweiz verboten.

Seit dem Verbot sind drei Jahre vergangen. Trotzdem erlauben die EU und die Schweiz nach wie vor die Ausfuhr von Chlorothalonil, dessen grösster Hersteller der Basler Konzern Syngenta ist. Abnehmer sind vor allem Länder mit niedrigem oder mittlerem Einkommen, in denen die Vorschriften lasch sind. Dies zeigt eine neue Recherche von Public Eye und der britischen Nichtregierungsorganisation Unearthed. Gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip konnten wir verschiedene Unterlagen der europäischen Behörden einsehen. Daraus wird ersichtlich, dass 2022 knapp 900 Tonnen Chlorothalonil für den Export aus der EU angemeldet wurden.

Der Grossteil davon war für Ägypten, Algerien, Kamerun sowie weitere Länder auf dem afrikanischen Kontinent bestimmt, wo Pestizide und ihre Nutzung kaum kontrolliert werden und viele Trinkwasserquellen verschmutzt sind. Zu den wichtigsten Importländern gehören auch Kolumbien, die Philippinen und Guatemala. In Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen ist das Risiko einer Exposition der Bevölkerung oder der Umwelt laut einem Bericht der UNO viel höher als in Ländern mit hohem Einkommen.

Gift im Trinkwasser

Seit dem Verbot des Fungizids auf ihren eigenen Feldern Ende 2019 hat die EU mindestens 130 Tonnen Chlorothalonil nach Costa Rica geliefert. Im dortigen Trinkwasser wurden extrem hohe Konzentrationen an Chlorothalonil-Abbauprodukten nachgewiesen, die bis zu 200 Mal über dem gesetzlichen Grenzwert liegen. Wie wir in unserer Reportage berichten, müssen die Behörden seit Monaten zwei Dörfer im Norden der Provinz Cartago mit Wasser aus Tankwagen versorgen. Die Verschmutzung könnte nach Ansicht von Fachleuten die gesamte Region, die landwirtschaftlich intensiv genutzt wird, betreffen. Costa Rica fehlen die technischen Mittel, um das Trinkwasser systematisch auf den Schadstoff zu untersuchen.

Als grösster Exporteur von Chlorothalonil aus der EU ist Syngenta für über 40% (knapp 380 Tonnen) der 2022 gemeldeten Mengen verantwortlich. Bei sämtlichen Ausfuhren von Syngenta wurde als Ursprungsland Deutschland oder Griechenland angegeben. Andere Hersteller exportieren aus Belgien, Italien, den Niederlanden und Spanien. Arysta Lifescience (Teil des indischen Konzerns UPL), die italienische Sipcam Oxon und Cheminova (Tochter des US-Pestizidherstellers FMC) haben 2022 Chlorothalonil-Ausfuhren aus diesen Ländern gemeldet.

Der Syngenta-Konzern, der in Monthey im Wallis seine weltweit grösste Produktionsstätte hat, exportiert Chlorothalonil auch aus der Schweiz. Es ist jedoch nicht möglich, das genaue Ausmass dieser Exporte, den Ort der Produktion und die Importländer in Erfahrung zu bringen. Bis heute ist das 2019 verbotene Chlorothalonil nicht in der Schweizer Verordnung über die Ausfuhr gefährlicher Chemikalien aufgeführt. Für den Stoff gilt somit keinerlei behördliche Meldepflicht, und seine Ausfuhr unterliegt keinerlei Kontrollen – auch nicht den 2020 vom Bundesrat beschlossenen Exportverschärfungen für verbotene Pestizide. Die Daten der EU-Behörden zeigen jedoch, dass im Jahr 2022 fast 30 Tonnen Chlorothalonil die Schweiz passierten, bevor sie von Syngenta in Drittländer wiederausgeführt wurden. Gefährliche Pestizidexporte unterbinden

Der Spielraum für die Agrochemiehersteller wird aber enger. Als wichtigste Exportländer für Chlorothalonil in der EU arbeiten Belgien und Deutschland an nationalen Gesetzen, welche die Ausfuhr von verbotenen Pestiziden stoppen sollen. Sie folgen damit dem Beispiel Frankreichs, wo seit 2022 bereits ein solches Verbot gilt. Auch eine europäische Lösung ist in Aussicht. Die EU-Kommission hat sich bereits verpflichtet, bis 2023 einen entsprechenden Vorschlag vorzulegen. Dies geschah im Anschluss an eine Recherche von Public Eye und Unearthed, die zum ersten Mal das Ausmass der Exporte verbotener Pestizide aus der EU aufgezeigt hatte.

Als die EU-Kommission die Umsetzung dieser Verpflichtung unter dem Druck der Lobbyist*innen der chemischen Industrie aus ihrem Arbeitsprogramm für 2023 strich, sorgte sie letzten Herbst für Empörung in der Zivilgesellschaft. Als Reaktion auf diese Kontroverse versicherte der EU-Umweltkommissar im Februar schliesslich, dass die Kommission weiterhin plane, bis Ende Jahr einen Vorschlag vorzulegen. Kürzlich hat sie dazu eine öffentliche Konsultation gestartet.

Die Pestizidlobby hat also noch nicht gewonnen. Zudem beraten das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten noch über einen weiteren Gesetzesvorschlag der Kommission, der eine umweltbezogene und menschenrechtliche Sorgfaltspflicht für Unternehmen vorsieht, wenn diese ausserhalb der EU tätig sind. Sofern diese neuen Regeln für die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zur Nutzung der Produkte gelten, wären die Hersteller künftig gezwungen, die Risiken ihrer Pestizide endlich ernst zu nehmen, und zwar weltweit. Ein weiterer Stachel im Fleisch der Agrochemiekonzerne.

Public Eye