Koordiniert und organisiert werden die Aktionen von Einzelpersonen wie dem 56-jährigen Ex-Walmart-Angestellten Wang Shishu über Chinas soziale Netzwerke. Mehr als ein Fünftel der etwa 100'000 Angestellten bei Walmart China sind Mitglied einschlägiger Gruppen.
Demonstrationen - ja bitte. Wenn sie sich nicht gegen die Partei richten
Die Arbeit bei Walmart sei schlecht bezahlt und über die Massen anstrengend, werfen die Arbeiter dem US-Unternehmen vor. Kernpunkt der Auseinandersetzung ist ein neues Dispositionssystem, das Walmart vor kurzem eingeführt hat. Walmart sieht die Kritik als ungerechtfertigt an.Die Proteste bringen die chinesische Regierung in eine schwierige Lage. An Partei und den offiziellen Gewerkschaften vorbei organisierte Arbeitnehmeraktionen dürfte es einerseits gar nicht geben. Andererseits: Unterdrückt die Regierung die Proteste, macht sie sich zum Gehilfen der weltgrössten Einzelhandelskette.
Demonstrationen sind in China alltäglich. Die chinesische Wirtschaft lahmt und der Umbau in eine Dienstleistungsgesellschaft verläuft holprig. Viele Stellen im neuen Servicesektor sind Teilzeitstellen oder schlecht entlöhnt. Zwischen Juli und September gab es nach Angaben des China Labour Bulletin 124 Streiks bei Unternehmen im Dienstleistungssektor, doppelt so viele wie im Jahr davor und erstmals mehr als im Wirtschaftssektor Industrie, Gewerbe und Handwerk.
Die Zeiten ändern sich
Einige Unternehmen haben in Boni, Zusatzleistungen und Lohnnachzahlungen investiert, um Arbeitnehmerprotesten zuvorzukommen. Andere scheuen die Kosten und setzten wie Walmart auf Repression. Protestierende werden versetzt, bekommen keine Gehaltserhöhungen mehr oder werden entlassen.Aber auch für ausländische Grossunternehmen haben sich die Zeiten geändert. Als Walmart vor zwanzig Jahren die ersten Niederlassungen in China öffnete, waren Arbeitsplätze bei dem US-Unternehmen gefragt, weil besser bezahlt als jene bei der chinesischen Konkurrenz.
Ein Billiglöhner mit zweifelhaftem Ruf
Inzwischen stand Walmart in den USA wegen Verletzungen des Arbeitsrechts mehrfach in der Kritik. In Verbindung gebracht wird das Unternehmen zudem mit den unmenschlichen Arbeitsbedingungen in der globalen Textilindustrie (Infosperber: «Die Ausbeutung in der Textilindustrie geht weiter»). Während sich die Verhältnisse in den USA gebessert haben, bezahlt Walmart in China noch immer Gehälter im Bereich des Mindestlohns.Walmart ist nicht das einzige Grossunternehmen, das im Fokus selbstorganisierter chinesischer Streikbewegungen steht. Bei dem US-Kosmetikunternehmen Neutrogena, das zu Johnson&Johnson gehört, und China Unicom, einem staatlichen chinesischen Telekommunikationsunternehmen, wird ebenfalls protestiert. Solange sich die Proteste nicht gegen die Partei richten, werden sie meistens geduldet.