Dabei fielen die Importverteuerungen für Waren aus Mexiko und Kanada mit 25 Prozent weitaus höher aus als bei China, dessen Waren mit zusätzlichen Einfuhrzöllen von zehn Prozent belegt wurden. Die USA bilden für alle drei Länder den mit Abstand wichtigsten Handelspartner, dem gegenüber diese jeweils Handelsüberschüsse verzeichnen.
Doch während die Zölle gegen China tatsächlich in Kraft traten, setzte Trump am 3. Februar die Implementierung der protektionistischen Massnahmen gegen die Nachbarländer im Norden und Süden der USA für 30 Tage aus. Die US-Regierung trat zu diesem Zeitpunkt in Verhandlungen mit Mexiko und Kanada, während derer die Drohung mit Strafzöllen bestehen bleibt. Tatsächlich konnte Trump bereits erhebliche Konzessionen erwirken: Sowohl Kanada als auch Mexiko stimmten zu, ihre Grenzen zu den USA stärker zu kontrollieren. Mexiko will etwa 10.000 Soldaten zur Grenzsicherung mobilisieren, um die ökonomische Stellung seiner nördlichen Grenzregion als verlängerte Werkbank der USA nicht zu gefährden.
Faktisch handelt es sich beim angeblich wirtschaftlichen Protektionismus Trumps um ein geopolitisches Machtmittel, mit dem Zugeständnisse erpresst werden können. Gegenüber Mexiko, das für wirtschaftlichen Druck aus den USA besonders anfällig ist, da es gerade im Zuge der US-amerikanischen Nearshoring-Strategie verstärkte ökonomische Abhängigkeiten von den USA ausgebildet hat, geht es um eine bessere Abschottung gegen Migrationsbewegungen. Kanada dagegen soll offenbar tatsächlich zu einer stärkeren Integration in die US-amerikanische Wirtschaft genötigt werden – das abzusehende Ringen um die Ressourcen und Handelswege der rasch auftauenden Arktis machen die bizarren Annexionsforderungen Trumps hinsichtlich Kanadas und Grönlands zumindest nachvollziehbar. China kündigte umgehend Vergeltungsmassnahmen an: Dort nun eingeführte Zollerhöhungen umfassen 15 Prozent auf Energieträger und zehn Prozent auf Landmaschinen, LKW-Ersatzteile und ähnliche Produkte aus den USA. Doch sitzt die chinesische Regierung bei solchen Handelskriegen am kürzeren Hebel. Das Handelsdefizit der USA summierte sich 2024 auf die gigantische Summe von 918,4 Milliarden Dollar, wovon allein auf China 295,4 Milliarden entfielen. Auch wenn bei einem Handelskonflikt, gerade in der gegenwärtigen stagflativen Krisenphase, beide Seiten anfänglich ökonomische Nachteile erleiden, etwa in Gestalt höherer Inflation, würde eine Eskalation immer die Wirtschaft mit den Exportüberschüssen stärker treffen als das Defizitland, das zumindest darauf hoffen kann, durch vermehrte Binnenproduktion zollbelastete Importe zu substituieren.
In einer ähnlichen Lage befindet sich auch die Europäische Union, die sich seit der Euro-Krise am exportfixierten deutschen Wirtschaftsmodell orientiert hat und 2024 einen Handelsüberschuss von 235,5 Milliarden Euro gegenüber den USA erzielte. Rund 20 Prozent aller EU-Exporte gehen in die USA, den wichtigsten Absatzmarkt. Die Sonderzölle von 25 Prozent auf Stahl und Aluminium, die Trump Mitte Februar erliess, wurden von der EU umgehend als rechtswidrig bezeichnet. Man sehe »keine Rechtfertigung für die Verhängung von Zöllen auf ihre Exporte«, heisst es seitens der EU-Kommission, die Gegenmassnahmen androhte, um »die Interessen europäischer Unternehmen, Arbeitnehmer und Verbraucher vor ungerechtfertigten Massnahmen zu schützen«.
Nur die erste Salve Trumps im transatlantischen Handelskrieg
Dabei war dies quasi nur die erste Salve Trumps im kommenden transatlantischen Handelskrieg, da hiervon nur wenige Hersteller in der EU substantiell betroffen sind. Der Handelsüberschuss der EU wird vor allem mit Autos made in Germany, Maschinen und Pharmaerzeugnissen erzielt – am 18. Februar drohte Trump nun folgerichtig mit Strafzöllen von 25 Prozent auf Autos, Halbleiter und Pharmaprodukte. Hinzu kommt der Agrarsektor der EU, der angesichts einiger EU-Handelsbeschränkungen – etwa gegen das berüchtigte US-amerikanische Chlorhuhn – den Zorn der US-Regierung auf sich zieht. Die EU-Agrarbranche weiss genau, was auf sie zukommt. Zum Jahreswechsel kletterten die Agrarexporte der EU in die USA auf den höchsten Wert seit 15 Jahren. Es würden derzeit »Butterberge, Käsepyramiden und Milchseen« für den Export angelegt, in Antizipation der kommenden Handelshemmnisse, meldete der österreichische Standard.Trump liess gegenüber Medienvertretern bereits durchblicken, dass seine Regierung an einer umfassenden protektionistischen Offensive arbeitet, die vor allem die EU hart treffen dürfte. Grundsätzlich sollen die kommenden US-Zölle gegen einzelne EU-Länder und nicht gegen den gesamten Wirtschaftsraum erlassen werden, um hierdurch Spaltungstendenzen in der EU zu befördern, eine gemeinsame Gegenstrategie der EU zu erschweren und Länder, die von ideologischen Bündnispartnern Trumps regiert werden, etwa Ungarn, mit Ausnahmeregelungen zu belohnen. Das US-Handelsministerium erarbeitet gerade eine Liste mit Ländern, die »unfaire Handelspraktiken« anwendeten, um diese mit »reziproken Zöllen« zu belegen.
Als nahezu sicher gilt, dass auf Deutschlands gebeutelte Autokonzerne neue Belastungen zukommen, da die EU-Autoeinfuhrzölle mit zehn Prozent weitaus höher sind als diejenigen in den USA (2,5 Prozent). Die um sich greifende Panik wurde bereits an der öffentlichen Ankündigung des VW-Vorstandsvorsitzenden Oliver Blume deutlich, direkte Gespräche mit der US-Regierung führen zu wollen. Auch der deutsche Maschinenbau hat wohl Zollerhöhungen zu erwarten. Sollte der Handelskonflikt mit den USA eskalieren, sehen Prognosen gerade für der Bundesrepublik einen zusätzlichen Wirtschaftseinbruch bis zu 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts voraus.
Welche Vergeltungsmassnahmen bleiben der EU?
Bourbon, Jeans, Harley-Davidsons, Erdnüsse – welche Vergeltungsmassnahmen bleiben der EU? In Brüssel und Berlin ist man sich sicherlich bewusst, dass die EU wegen des Exportüberschusses bei Handelskonflikten im Nachteil ist. Bislang sind ein Kompromissvorschlag und eine Gegendrohung an die US-Regierung signalisiert worden. Die EU scheint bereit, grössere Mengen Flüssiggas aus den USA aufzukaufen sowie die Zölle auf US-Fahrzeuge zu verringern, um das US-Defizit zu reduzieren.Aufbauend auf den protektionistischen Erfahrungen, die während der ersten Präsidentschaft Trumps gesammelt werden mussten, hat die EU bereits Ende 2023 eine Verordnung erlassen, die schnelle Vergeltungsmassnahmen ermöglicht, sollte »ökonomischer Zwang« gegen den Währungsraum angewendet werden. Dabei geht es diesmal nicht nur um den Import von Waren, sondern auch von Dienstleistungen. Hierdurch könnten gerade die US-amerikanischen IT-Giganten wie Alphabet, Meta oder Amazon Schwierigkeiten bekommen, die sich sehr schnell mit den autoritären Bestrebungen Trumps arrangiert haben.
Allerdings kann man wirtschaftspolitisch kaum von einer Kehrtwende der US-Politik sprechen. Es handelt sich eher um eine weitere Verschärfung der bisherigen restriktiven Handelstendenzen, da auch die Regierung Joe Bidens die protektionistischen Massnahmen aus Trumps erster Amtszeit modifiziert fortgeführt hatte – vor allem in Gestalt der Konjunkturprogramme, die insbesondere inländischen Produzenten zugute kamen. Und gerade im zunehmenden Protektionismus wird der Krisenprozess evident. Der Kampf um Handelsüberschüsse ist konkreter Ausdruck der inneren Schranke des an seiner Produktivität erstickenden Kapitals, die bislang im Rahmen der neoliberalen Defizitkonjunkturen, vor allem der der USA, überbrückt werden konnte.
Trump scheint nun den endgültigen Bruch mit der Ära der neoliberalen Globalisierung einzuleiten, die gigantische, durch spekulative Blasenbildung angefachte Defizitkreisläufe hervorbrachte. Die USA mit dem Dollar als Weltleitwährung bilden das Zentrum dieser auf Pump laufenden Finanzblasenökonomie, bei der die US-Handelsdefizite als ein globales Konjunkturprogramm fungieren – bis die damit einhergehende Deindustrialisierung zur weitgehenden sozialen Zerrüttung und politischen Instabilität in den USA führte, was wiederum rechtspopulistische Kräfte ins Weisse Haus hievte. Diese scheinen nun bei ihrem zweiten Anlauf entschlossener denn je, nicht nur innenpolitisch die Faschisierung voranzutreiben, sondern auch, wirtschaftspolitisch ein Revival des verheerenden Protektionismus der dreissiger Jahre aufzuführen, der die damalige Krise verschärfte.